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Pestizidprozess: Landesrat Schuler zieht Anzeigen laut Südtiroler Landesverwaltung zurück

Ende des Prozesses wäre Sieg für die Meinungsfreiheit. Verteidigung der Angeklagten ist weiter vorsichtig: Offizielle Bestätigung der Rücknahme vor Gericht liegt noch nicht vor. Auch alle 1600 Anzeigen der Nebenkläger müssen zurückgezogen und der Prozess durch das Gericht beendet werden. Verhandlung am morgigen Dienstag, 15.09., gegen Karl Bär (Umweltinstitut München) findet trotzdem statt. ­­­­ ­­­­ ­

Laut einer Meldung der Südtiroler Landesverwaltung zieht der Südtiroler Landesrat für Landwirtschaft Arnold Schuler seine Strafanzeigen gegen das Umweltinstitut München, oekom-Autor Alexander Schiebel und den oekom verlag zurück. Laut Angaben des vertretenden Rechtsanwalts Nicola Canestrini wurde diese Information allerdings bis dato noch nicht offiziell bestätigt. Die Beklagten werten diesen Schritt als Zeichen, dass der öffentliche Druck für Schuler zu groß wurde. Sie hatten in Verhandlungen mit dem Landesrat stets klargestellt, dass die Rücknahme aller Strafanzeigen die Grundbedingung für eine außergerichtliche Einigung sei. ­­­­­ ­­­­ ­

Dazu Nicola Canestrini, gemeinsam mit Francesca Cancellaro, Verteidiger der Angeklagten: »Wir sind natürlich sehr erfreut über die Ankündigung, dass Landesrat Schuler sich anscheinend dazu gezwungen sah, die Anzeige bedingungslos zurückzunehmen. Im Laufe des morgigen ersten Prozesstages wird sich klären, ob auch wirklich alle der über 1600 Strafanzeigen zurückgenommen wurden, und dementsprechend werden wir unsere Bedingungen für die Annahme zu Protokoll bringen. Was angebliche »geheime Verhandlungen« und sonstige Gerüchte angeht, weiss jeder, dass (übrigens: vertrauliche!) Vergleichsgespräche nur bei erreichter Einigung erfolgreich sind. In den im Vorfeld geführten Gesprächen konnte die Gegenpartei nicht einmal die entsprechenden Vollmachten der weiteren Anzeigenden vorweisen.« ­­­­­ ­­­­ ­

Die Angeklagten begrüßen den Vorstoß ebenfalls. oekom-Autor Alexander Schiebel: »Die Welle der Solidarität, die über die ganze Welt bis nach Südtirol gerollt ist, hat bei Landesrat Schuler möglicherweise ein radikales Umdenken bewirkt. Wir werden allerdings nicht zu früh jubeln. Erst, wenn alle Angeklagten freigesprochen sind, können wir aufatmen. Bis dahin bleiben wir wachsam.« ­­­­­ ­­­­ ­

Karl Bär, Agrarreferent beim Umweltinstitut München: »Sollte sich bewahrheiten, dass dieser skandalöse Prozess nun zu einem schnellen und guten Ende kommt, bedeutet das einen Sieg auf voller Linie für die Meinungsfreiheit in Europa. Die Einsicht, dass öffentlicher Druck und ein wachsames Auge der Gesellschaft strategische Klagen schon vor dem ersten Prozesstag zum Scheitern bringen können, dürfte sich bei potenziellen Klägern ebenso verbreiten wie unter den möglichen Opfern solcher Prozesse. Wenn wir dazu einen Teil beigetragen haben, dann haben wir noch deutlich mehr erreicht als einen bloßen Freispruch.« ­­­­­ ­­­­ ­

Unterstützung erhalten Karl Bär und Alexander Schiebel von mehr als 100 Umwelt-, Sozial-, Verbraucherschutz- und Agrarverbänden sowie kirchlichen und direktdemokratischen Initiativen aus der ganzen Welt, darunter Greenpeace, die Deutsche Umwelthilfe, Slowfood, der Europäische Berufsimkerverband, Legambiente und der WWF Italien. Vertreten sind Organisationen aus 18 Ländern, von Italien über Ungarn bis Neuseeland. Zudem unterzeichneten bereits mehr als 200.000 Menschen aus ganz Europa einen Appell der Kampagnennetzwerke Campact und WeMove an Landesrat Arnold Schuler, in dem dieser aufgefordert wurde, seine Anzeigen fallen zu lassen.

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