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Braucht unsere Gesellschaft eine erweiterte Ethik?

Anlässlich der internationalen Frankfurter Buchmesse 2021 präsentiert der Talheimer Verlag die Neuerscheinung des 92-jährigen Tübinger Philosophen Helmut Fahrenbach. Sein Buch mit dem Titel "Philosophische Anthropologie – Gesellschaftstheorie – Ethik" basiert auf dem Denken von Kant, Löwith, Jaspers, Marx und Bloch. In seinem neuen Werk geht er auf das Denken von Kierkegaard, Sartre sowie kritisch auf Heidegger ein. Fahrenbach erweitert die existenzphilosophische Ethik um den Impuls einer "praktischen Philosophie".

„Die sachliche Relevanz der Existenzphilosophie für die Ethik zeigt sich vor allem im Hinblick auf den Zusammenhang von philosophischer Anthropologie und Ethik und dessen zentraler Stellung im Rahmen einer erforderlichen ,praktischen Philosophie‘. Der dafür geleistete existenzphilosophische Beitrag kann weder von der gegenwärtigen Anthropologie noch auch von der sprachanalytischen Ethik oder einer marxistischen Philosophie der Praxis einfach ersetzt werden, so sehr diese in manchen Punkten der Existenzphilosophie überlegen sind. Wohl aber bedarf er der methodisch-sachlichen Konfrontation mit diesen Positionen und vor allem der Einarbeitung in einen künftigen Entwurf praktischer Philosophie. Erst und nur in einer solchen systematischen Umsetzung kann die sachliche Relevanz der Aspekte ,existenzphilosophischer Ethik‘ bewährt und erhalten werden.“ (Helmut Fahrenbach)

Inhalt

Einleitung in die Problemstellung

  1. Existenzphilosophie und gegenwärtige Ethik
  2. Differenzierung der Fragestellung

Problemgeschichtliche Voraussetzungen

  1. Kierkegaards ethische Existenzanalyse – als „Korrektiv“ der kantisch-idealistischen Moralphilosophie

a) Kants Moralphilosophie und Kierkegaards ethische Problemstellung

b) Begriff und anthropologische Grundlagen der ethischen Existenzanalyse

c) Die maßgebenden Gesichtspunkte der existenzdialektischen Interpretation des Ethischen

[*]Nietzsches radikale Kritik der traditionellen Moral und Moralphilosophie

a) Moralphilosophie und Moralkritik

b) Die Reduk­tion der Moral

c) Die Sinntendenz der Moralkritik

d) Der problemgeschichtliche Stand (Nietzsche‒Kierkegaard)

e) Nietzsches Moralkritik und die Ethik im 20. Jahrhundert

Die Analyse der ethischen Dimension der Existenz bei Jaspers, Heidegger und Sartre

  1. Jaspers: Die Erhellung der ethischen Bezüge der Existenz und die Dialektik ihrer Objektivität

a) Der Ansatz in der Auseinandersetzung mit Nietzsches Moralkritik

b) Ort und Bestimmung der ethischen Phänomene in der „Existenzerhellung“

c) Die dialektische Situation unbedingten (ethischen) Handelns

d) Die Grundbezüge ethischer Existenz und der methodische Aspekt ihrer Erhellung

e) Der Problemhorizont der ethi­schen Thematik bei Jaspers

[*]Heidegger: Der Rückgang in die ontologischen Bedingungen der Existenz und das Übersteigen der ethischen Dimension in der Seinsfrage

a) Die Grenzen einer an Heideggers Denken gerichteten ethischen Fragestellung

b) Die Existenzialontologie und der methodische Ort einer möglichen Ethik

c) Die existenzialanalytische Eröffnung der ethischen Dimension

d) Die Problematik des ontologischen Rückgangs

[*]Sartre: Der Ansatz bei der absoluten Freiheit der Existenz und die Problematik ihrer ethischen Situation

a) Methodische Position und weltanschauliche Einstellung

b) Der „Vorrang der Existenz vor der Essenz“

c) Die ethische Dimension der Wahl

d) Bedeutung und weitere Entwicklung von Sartres ethischem Ansatz

Bedeutung und Problematik „existenzphilosophischer Ethik“

  1. Reflexion der Problemlage gegenwärtiger Ethik

a) Der problemgeschichtliche Bezug

b) Die gegenwärtige Problemsituation ethischer Existenz und Ethik

2. Systematische Aspekte und Probleme – eine kritische Zusammenfassung

a) Der systematische Rahmen: Anthropologie und Ethik

b) Die Auslegung der „existenziellen“ und „ideellen“ Dimension ethischer Existenz

c) Methodische Strukturen existenzphilosophischer Ethik

d) Kritische Beurteilung

[*]Die gestellte Aufgabe einer „praktischen Philosophie“

Textauszug

Die hier durchgeführte Interpretation der ethischen Thematik innerhalb der Existenzphilosophie war nicht von der Absicht bestimmt, die existenzphilosophische Ethik als „die“ maßgebende Ethik der Gegenwart herauszustellen oder zu verteidigen. Ein solches Vorhaben würde sich schon durch den fragmentarischen Charakter „existenzphilosophischer Ethik“ – gegenüber den methodisch durchgebildeten und sachlich umfassenderen Positionen gegenwärtiger Ethik als unangemessen erweisen. Und es würde aufgrund der angedeuteten sachlichen und methodischen Mängel der existenzphilosophischen Ethik vollends scheitern. Es ging (und geht) vielmehr allein darum, die existenzphilosophische Thematisierung ethischer Phänomene und Probleme sichtbar zu machen und für die ethische Reflexion gegenwärtiger Philosophie zu erschließen. Dafür war allerdings die Überzeugung motivierend, dass den Ansätzen existenzphilosophischer Ethik – trotz ihrer Mängel – eine sachliche Relevanz, ja an einigen Punkten eine sachliche Überlegenheit in der gegenwärtigen ethischen Diskussion zukommt, die auch für künftige Fragestellungen philosophischer Ethik von Bedeutung bleibt.

Die sachlich relevanten Aspekte existenzphilosophischer Ethik können freilich heute und künftig nur in einem vermutlich weitgehend veränderten Gefüge philosophischer Ethik und ihrem Verhältnis zur Wissenschaft und gegenwärtig-zukünftigen Lebenswelt des Menschen zur Geltung gebracht werden, wofür die Fragestellung und Ansatzmöglichkeiten allererst noch zu entwickeln sind. In den dafür zunächst nötigen offenen Entwurf der gegenwärtig-künftigen Aufgaben philosophischer Ethik wären natürlich auch wesentliche Aspekte anderer Positionen gegenwärtiger Ethik einzubringen und umzusetzen: so z.B. die „Sprachanalyse“ für die Klärung der Sprachbedingtheit auch des moralischen Bewusstseins (d.h. seiner Informations-, Kommunikations- und Realisationsstrukturen) sowie für die methodische und begriffsanalytische Reflexion der Ethik (worunter auch die Werttheorie zu zählen wäre), aber auch die Thematik von „Moral und Gesellschaft“ und zwar nicht nur im Sinne der gesellschaftlichen Bedingtheit der Moral, sondern auch in dem einer ethischen Kritik der Gesellschaft und ihrer Verhinderung oder Bedrohung humaner Existenz; gerade in diesem Zusammenhang wäre die Bedeutung existenzphilosophischer „Anthropologie und Ethik“ erneut zu reflektieren und auf die Probleme der gegenwärtigen (technisch-industriellen) Gesellschaft zu beziehen. (Helmut Fahrenbach)

Helmut Fahrenbach: Philosophische Anthropologie – Gesellschaftstheorie – Ethik. Anthropologische und ethische Grundlagen einer humanistisch-sozialistischen Lebensphilosophie. Talheimer Verlag, Mössingen 2021, 256 Seiten, Preis 39,00 Euro,  ISBN 978-3-89376-192-0.

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