Energie- / Umwelttechnik

Weideflächen im Nationalpark Hainich

Der Nationalpark Hainich wirbt mit dem Motto „Urwald mitten in Deutschland“. Er gehört mit seinen alten Buchenwäldern seit 2011 sogar zum UNESCO-Weltnaturerbe. Dafür ist er völlig zurecht über die Grenzen Thüringens hinaus bekannt. Doch aufgrund seiner Vergangenheit als militärischer Truppenübungsplatz haben sich insbesondere in seinen Randbereichen auch ganz andere Lebensräume entwickelt – Offenlandlebensräume. Extensiv genutztes Offenland und seine Bewohner sind im landwirtschaftlich intensiv genutzten Thüringen, Deutschland und Europa sehr selten geworden. Daher leben im Nationalpark Hainich dort, wo einst Panzer fuhren und ihre Schießübungen abhielten, heute sehr seltene Tierarten. Diese Tierarten und ihre Lebensräume stehen im Rahmen des europäischen Schutzgebietsnetzwerkes NATURA 2000 unter europäischem Schutz. Sie werden im Nationalpark mit großer Sorgfalt im Rahmen von verschiedenen Beweidungsprojekten erhalten.

„Natürlicherweise würden diese Wiesen wieder zu Wald werden. Der Fachbegriff für diese Entwicklung heißt Sukzession. Diese beobachten wir mit großem wissenschaftlichen Interesse an vielen Stellen bei uns im Nationalpark. Die Beweidungsflächen allerdings bleiben mithilfe der Weidetiere offen. So werden die Lebensräume beispielsweise für die Gelbbauchunke und den Skabiosen-Scheckenfalter erhalten. Beide Arten haben europaweit einen Verbreitungsschwerpunkt im Nationalpark Hainich“, sagt Nationalparkleiter Manfred Großmann.

Um die Entwicklung der Offenlandlebensräume im Nationalpark noch zu verbessern, wurde ab diesem Jahr auf vier Flächen die Beweidung umgestellt. Drei der vier Weideflächen befinden sich auf dem Kindel im Südteil des Nationalparks, eine weitere auf dem Steinberg südlich der Thiemsburg. Auf den Flächen am Kindel wurden zwei

Ganzjahresweiden mit Rindern und Pferden und eine Sommer-Standweide mit Schafen und Ziegen etabliert. Die Fläche am Steinberg wurde erweitert und wird von Frühjahr bis Herbst mit Rindern beweidet. Alle vier Weiden wurden in den letzten Wochen fest eingezäunt und die ersten neuen Landschaftspfleger sind mittlerweile eingezogen.

Auf der Ganzjahresweidefläche am Wanderparkplatz Kindel fühlen sich die ersten 3 Exmoor-Ponys wohl. Die beiden Stuten Clara und Bella und der Wallach Billy sind echte Thüringer und kommen aus dem Weideprojekt im Alperstedter Ried bei Erfurt. Sie bekommen Unterstützung bei der Offenhaltung ihrer 116 ha großen Fläche von 10 Rindern der Rasse Gelbvieh, einer gefährdeten Haustierrasse. Die Tiere kommen aus der benachbarten Waldweide am Eichenwäldchen (südlich der B 84) und ziehen in den Nationalpark.

Bei der zweiten Weidefläche am Wanderparkplatz Kindel handelt es sich um eine Schaf-Ziegen-Standweide mit etwa 400 Tieren auf einer Fläche von 112 ha. Sie bleiben von Mai bis November auf der Fläche und verbringen die kalte Jahreszeit im behüteten Schafstall.

Die 2 Exmoor-Pony-Hengste Sam und Freddy kommen aus dem Weideprojekt im Naturpark Solling-Vogler aus Niedersachsen und leben ab jetzt zusammen mit einer Highland-Rinderherde auf der 73 ha Ganzjahresweide auf dem Kindel bei Bolleroda. Die beiden werden in ein paar Wochen noch durch zwei weitere Exmoor-Pony-Hengste bei der Landschaftspflege unterstützt.

Die vierte Weidefläche auf dem Steinberg beherbergt aktuell 10 Highland-Rinder auf einer Fläche von 16 ha. Die Tiere sind dort von Frühjahr bis Herbst auf der Weide.

Aus Sicherheitsgründen sind die Weideflächen der Pferde und Rinder für Besucherinnen und Besucher nicht begehbar. Für die Beobachtung von Clara, Bella und Billy wie auch die 500 Schafe und Ziegen ohne Namen soll in der Nähe des Wanderparkplatzes Kindel ein Aussichtsturm errichtet werden. Hier wird auch ausführlich über die Projekte informiert werden. Die Hengste Sam und Freddy auf der Weide östlich von Bolleroda können mit etwas Glück vom neuen Wanderweg "Auriniapfad" aus gesichtet werden. Der Steinbergweg führt wiederum direkt entlang der Weide auf dem Steinberg.

Demgegenüber darf die Schaf-Ziegen-Standweide über den "Nachtigallenweg“ erwandert werden. Spezielle Besuchertore machen den Ein- und Ausgang möglich. Um die fleißigen Landschaftspfleger nicht bei ihrer Arbeit für den Naturschutz zu stören und auch um die eigene Gesundheit nicht zu gefährden, ist es wichtig, sich an die Sicherheitshinweise an den Toren zu halten.

Hintergrund:

Der Nationalpark Hainich verfolgt seit seiner Gründung das Ziel, den Südteil des Hainich von menschlichen Einflüssen weitgehend freizuhalten und die laufenden natürlichen Prozesse zu sichern (Prozessschutz). Durch die Meldung des Nationalparks als Teil des gleichnamigen Flora-Fauna-Habitat (FFH)- und Vogelschutzgebietes (SPA) besteht zudem die europarechtliche Verpflichtung, die im Nationalpark vorkommenden Lebensraumtypen (LRT) und Arten gemäß Anhang I und II der FFH-Richtlinie sowie Vogelarten gemäß Anhang I bzw. gemäß Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie in einem günstigen Erhaltungszustand zu sichern. Bei den nutzungsabhängigen Lebensraumtypen (LRT) und Arten ergibt sich folglich ein Zielkonflikt. Als Lösung dieses Zielkonfliktes wurde die Grundsatzentscheidung getroffen, dass künftig 10 % der Nationalpark-Fläche (rd. 750 ha) in der Schutzzone 2 als Offenland erhalten werden sollen, um hier die sich aus den Natura 2000-Vorgaben ergebenden Verpflichtungen zu realisieren. Dafür wird nun ein entsprechendes Beweidungsmanagement etabliert.

prioritäre Zielarten und Ziel-LRT sind:

  • Gelbbauchunke (Bombina variegata): FFH-RL Anh. II, Rote Liste Deutschland: 2, Rote Liste Thüringen: 1
  • Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) FFH-RL Anh. II, RLD: 2, RLT: 2
  • Nördlicher Kammmolch (Triturus vulgaris) FFH-RL Anh. II, RLD: V, RLT: 3
  • Europäischer Laubfrosch (Hyla arborea) FFH-RL Anh. IV, RLD: 3, RLT: 3
  • LRT 6210 Kalk-(Halb-)Trockenrasen FFH-RL Anh. I
  • LRT 6510 Magere Flachland-Mähwiese FFH-RL Anh. I

weitere Zielarten und Ziel-LRT:

  • Sperbergrasmücke (Sylvia nisoria) VS-RL Anh. I, RLD: 3, RLT: 3
  • Neuntöter (Lanius collurio) VS-RL Anh. I
  • Raubwürger (Lanius excubitor) VS-RL Art. 4 (2), RLD: 2, RLT: 1
  • Wiesenpieper (Anthus pratensis) VS-RL Art. 4 (2), RLD: 2, RLT: 3
  • Zauneidechse (Lacerta agilis) FFH-RL Anh. IV, RLD: V
  • Große Moosjungfer (Leucorrhinia pectoralis) FFH-RL Anh. II, RLD: 3, RLT: 2
  • Schmale Windelschnecke (Vertigo augustior) FFH-RL Anh. II, RLD: 3, RLT: 2
  • LRT 3150 Natürliche und naturnahe nährstoffreiche Stillgewässer FFH-RL Anh. I

Die Bestände der Gelbbauchunke (Bombina variegata) und des Skabiosen-Scheckenfalters (Euphydryas aurinia) haben in den letzten Jahrzehnten deutschlandweit drastisch abgenommen. Beide Arten werden auf der Roten Liste Deutschlands als „stark gefährdet“ geführt und sind als Arten des Anhangs II der FFH-RL „Arten von gemeinschaftlichem Interesse“. In Thüringen und bundesweit werden die Erhaltungszustände der Vorkommen beider Arten als „ungünstig – schlecht“ eingeschätzt. Beiden Arten wurde zudem im „Prioritätenkonzept für FFH-Schutzgüter in Thüringen“ die höchste Handlungspriorität zugeordnet. Da der Nationalpark aktuell die größten Vorkommen der Gelbbauchunke und des Skabiosen-Scheckenfalters in Thüringen beherbergt, trägt er für beide Arten eine besondere Verantwortung zur Sicherung bzw. Wiederherstellung des günstigen Erhaltungszustands. Die Vorkommen beider Arten im Nationalpark sind zudem wichtige Quellpopulationen, die zur Besiedelung von neu entwickelten Habitaten im Umfeld dienen sollen.

Finanziert werden die Projekte zum einen über das Programm „Förderung von Vorhaben zur Entwicklung von Natur und Landschaft“ (ENL) aus dem Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE). Hier investieren Europa und der Freistaat Thüringen in die ländlichen Gebiete. Zum anderen über das Projekt „Eine Zukunft für den Skabiosen-Scheckenfalter in Thüringen“, finanziert durch den Sonderfond Insektenschutz in Thüringen, aus Mitteln des Freistaats sowie Bundesmitteln. Projektträger ist hier die Naturforschende Gesellschaft Altenburg e.V., mit der eine Kooperation zur Umsetzung von Maßnahmen zur Erhaltung des Skabiosen-Scheckenfalters besteht.

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