Gesundheit & Medizin

Künstliche Intelligenz: Wie sie in die Herzmedizin integriert wird – auf dem Weg zur Präzisionsherzmedizin

In Zeiten begrenzter Ressourcen an medizinischem Fachpersonal bei gleichzeitig hoher Krankheitslast hilft der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Herzmedizin Ärzten in der Diagnostik und Therapie. „Der Zeitfaktor spielt insbesondere in der Akutversorgung von kardiologischen Patienten eine enorm wichtige Rolle, hier zeigt sich ein besonders hohes Potenzial durch die KI“, betont der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.

Beispiel: Diagnose von Herzrhythmusstörungen. Das Auswerten eines Elektrokardiogramms (EKG) ist eine komplexe Angelegenheit, die Zeit und Erfahrung erfordert. Das liegt nicht nur an den komplexen Ursachen der verschiedenen, teils parallel vorliegenden Herzerkrankungen, sondern auch an den riesigen Datenmengen, die bei der Aufzeichnung von EKGs entstehen. Zwölf Kanäle (Ableitungen) beim Patienten sind für Herzspezialisten Standard. Die elektrische Aktivität des Herzens wird dabei, vergleichbar mit Kameras, aus verschiedenen „Blickwinkeln“ betrachtet und diese „Blickwinkel“ müssen synchron analysiert werden, so dass man den Erregungsablauf im gesamten Organ zum selben Zeitpunkt verfolgen kann. „Ein einziges EKG enthält mehr als 120.000 Datenpunkte“, erklären die Kardiologen Privatdozent Dr. Philipp Breitbart und Professor Dr. Thomas Arentz vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg/Bad Krozingen in der aktuellen Ausgabe von HERZ heute (2/2025), der Zeitschrift der Deutschen Herzstiftung, die unter https://herzstiftung.de/bestellung angefordert werden kann.

KI-gestützte Diagnose von Vorhofflimmern: Senken von Komplikationsrisiken

Inzwischen gibt es Computerprogramme, die auf der Basis Künstlicher Intelligenz (KI) dabei helfen können, den Zeitaufwand zur Auswertung täglich vieler EKGs in Praxen und Kliniken zu senken und die Präzision der Analyse zu erhöhen, so die Kardiologen in ihrem Beitrag. Solche KI-Algorithmen sind in der Lage, innerhalb von Sekunden auffällige Muster zu erkennen, zum Beispiel bei der Detektion von Vorhofflimmern, einer der häufigsten Herzrhythmusstörungen in der Bevölkerung. „Vorhofflimmern tritt oft unregelmäßig auf. Es bleibt daher in frühen Stadien oft unbemerkt“, erläutern der Oberarzt der Kardiologie Dr. Breitbart und der Leiter der Rhythmologie am Herzzentrum des Freiburger Universitätsklinikums Prof. Arentz in ihrem Beitrag. Weil Vorhofflimmern jedoch mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden ist, wäre es gut, dieses früher als bislang zu erkennen. Dann ließe sich früh eine Therapie einleiten und das Komplikationsrisiko senken.

An der renommierten Mayo-Klinik im US-amerikanischen Rochester (Minnesota) ist es gelungen, eine KI zu programmieren, die selbst in scheinbar normalen EKGs erste Hinweise auf Vorhofflimmern aufzuspüren hilft. Außerdem ließ sich mit dem Programm erstaunlich präzise die Pumpleistung der linken Herzkammer vorhersagen – etwas, was üblicherweise mit einer anderen Untersuchungsmethode (Echokardiogramm) ermittelt wird. Damit nicht genug: Erkrankungen der Herzklappen, die Menge des roten Blutfarbstoffs und Sauerstoffträgers Hämoglobin oder die Konzentration des für die Herzfunktion wichtigen Elements Kalium im Blut lässt sich per KI aus den EKG-Kurven herauslesen, ebenso wie weitere Herzerkrankungen.

KI-Einsatz in der Therapie: Was ist möglich – wo liegen die Grenzen?

KI kann nicht nur die Herzdiagnostik unterstützen, sondern auch die Therapie, wie Dr. Breitbart und Prof. Arentz schildern. Zum Beispiel beim gezielten Ausschalten störender elektrischer Aktivitäten im Herzen per Katheter-basierter Verödungstherapie (Katheterablation). Es konnte nachgewiesen werden, dass sich per KI die Erfolgsrate erhöhen und die Rückfallquote senken lässt.

Prof. Arentz und Dr. Breitbart verschweigen aber nicht, dass KI aber auch mit Problemen verknüpft ist, die noch gelöst werden müssen. Die Ergebnisse von KI-Programmen hängen stark von der Qualität der eingegebenen Trainingsdaten ab. „Verzerrte oder unvollständige Datensätze können zu fehlerhaften Vorhersagen führen“, warnen die Kardiologen. So müssen zum Beispiel beim Trainieren der KI geografische und ethnisch-kulturelle Kontexte berücksichtigt werden, die bei der Entstehung bestimmter Krankheiten bedeutsam sein können. Es gibt zudem selbstlernende KI-Systeme. Bei ihnen tritt das sogenannte „Black-Box-Phänomen“ auf: Der Mensch kann nicht nachvollziehen, wie das KI-System zu einem bestimmten Ergebnis gekommen ist, ein Resultat, das womöglich nicht der Realität entspricht, sondern bei dem es sich um eine „Halluzination“ des Computers handelt.

Daraus ergeben sich medizinethische und juristische Fragen:

  • Wie viel Verantwortung darf der Mensch auf die Maschine übertragen?
  • Wer haftet, wenn die KI zum Beispiel eine falsche Diagnose stellt?
  • Wie kann die Sicherheit der individuellen Gesundheitsdaten gewährleistet werden?

Hinzu kommt der bekanntermaßen hohe Energieverbrauch von KI-Systemen, die die Umwelt belasten können.

In der Europäischen Union sind Regeln beschlossen worden (1), die bei neuen, KI-basierten Diagnostikverfahren den Fokus auf überwachte Lernverfahren lenken sollen. KI soll als ärztliches Werkzeug verstanden werden, ein Werkzeug, dass Diagnostik und Therapie erleichtern und präziser machen soll. Die Expertise von Ärztinnen und Ärzten ersetzt sie nicht, die endgültige Entscheidung und damit auch die Verantwortung gegenüber Patientinnen und Patienten bleibt damit in der Hand entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachspezialisten.

(tme)

Literatur

(1) KI-Gesetz: erste Regulierung der künstlichen Intelligenz: https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20230601STO93804/ki-gesetz-erste-regulierung-der-kunstlichen-intelligenz (abgerufen am 23.06.25)

Service

Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ heute

Mehr Informationen zu Künstlicher Intelligenz und deren Nutzung in der Kardiologie bietet die Deutsche Herzstiftung in der Ausgabe 2/2025 der Zeitschrift HERZ heute mit dem Beitrag „Schneller, genauer, individueller. Mit der künstlichen Intelligenz auf dem Weg zur Präzisionsherzmedizin“. Dies ist nur eines von vielen weiteren interessanten Themen dieser Ausgabe mit dem Titel „Ein unerwartet dynamisches Duo – Wechselwirkungen: Wie Herz und Hirn zusammenspielen“.

Ein Probe-Exemplar kann kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter https://herzstiftung.de/bestellung angefordert werden.

Podcasts

Wo profitieren Herzpatienten von künstlicher Intelligenz? Ein Gespräch mit dem Kardiologen „Dr. Heart“
https://herzstiftung.de/service-und-aktuelles/podcasts/herztherapie-kuenstliche-intelligenz

Künstliche Intelligenz in der Herzmedizin – was bringt die Zukunft? Ein Gespräch mit Prof. Dr. Holger Thiele
https://herzstiftung.de/service-und-aktuelles/podcasts/kuenstliche-intelligenz-herzgesundheit

Kontakt: Deutsche Herzstiftung e. V., Pressestelle: Michael Wichert (Ltg.) /Pierre König, Tel. 069 955128-114/-140, E-Mail: presse@herzstiftung.de, www.herzstiftung.de

Über den Deutsche Herzstiftung e.V.

Die Deutsche Herzstiftung e. V. wurde 1979 gegründet und ist heute die größte gemeinnützige und unabhängige Anlaufstelle für Patienten und Interessierte im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu den Hauptaufgaben der Herzstiftung gehört es, Patienten in unabhängiger Weise über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deren Vorbeugung sowie über aktuelle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten aufzuklären. Bekannt ist die Herzstiftung außerdem durch ihre bundesweiten Aufklärungskampagnen und als wichtige Förderinstitution in der Herz-Kreislauf-Forschung. Die hohe Qualität ihrer Informationsangebote beruht nicht zuletzt auf der Expertise der rund 500 Herzspezialisten im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Vorstandsvorsitzender ist der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer (Frankfurt am Main), Schirmherrin ist Barbara Genscher.

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