
Rollenbilder im Netz: Wenn Stereotype toxisch werden
Frauen kochen, kümmern sich um die Kinder und können nicht einparken. Männer hingegen reparieren Autos, tragen schwere Dinge und sind emotionale Holzklötze. Typische Rollenbilder, die diktieren, wer mit Puppen und wer mit Bausteinen spielen darf, gelten heute glücklicherweise als völlig überholt. Doch gerade Kinder am Rande und Jugendliche mitten in der Pubertät stellen sich trotzdem die Frage, wer sie überhaupt sind und was es bedeutet, eine Frau oder ein Mann zu sein.
„Heutzutage sind die Grenzen zwischen den Geschlechtern in der Erziehung längst nicht mehr so streng, wie noch vor wenigen Jahrzehnten. Ein kleiner Junge in einem Kleid auf dem Spielplatz ist zumindest in den größeren Städten nichts Besonderes mehr, genau wie ein Mädchen mit kurzen Haaren, das lieber Fußball spielt als zum Ballett zu gehen“, erklärt Götz Schartner vom Verein Sicherheit im Internet e.V., einem der Mitveranstalter von SpardaSurfSafe.
In den sozialen Medien sieht die Lage aber leider etwas anders aus. Hier werden Kinder und Jugendliche mit teils äußerst bedenklichen Rollenbildern konfrontiert, die nicht nur veraltet, sondern regelrecht toxisch sind. Nicht nur das Aussehen und Verhalten von vermeintlich perfekten Frauen bzw. Männern werden in manchen Clips und Posts beschrieben, sondern deren typische Gefühls- und Gedankenwelt gleich mit. So werden extreme Stereotype propagiert, die teils verstörende oder sogar gefährliche Vorstellungen widerspiegeln. Schartner warnt: „Solche Inhalte sind gerade für Menschen in der Selbstfindungsphase äußerst gefährlich, also beispielsweise für Kinder und Jugendliche. Denn der Druck, einem bestimmten Bild entsprechen zu müssen ist hier besonders stark.“
Doch welche Inhalte meinen wir eigentlich, wenn wir von toxischen Rollenbildern sprechen? Schartner führt hier beispielsweise die sogenannten Alpha-Männer an. Dabei geht es um Männer, die sich selbst als besonders stark, erfolgreich und dominant darstellen. Sie glauben, dass ein „echter Mann“ immer die Kontrolle hat, keine Schwächen zeigt und sich niemals von anderen – vor allem nicht von Frauen – etwas sagen lässt. Kurz gesagt: Er ist das Alphatier oder der Leitwolf, dem man sich zu unterwerfen hat. Mit dem Alpha-Mann verwandt ist der Sigma-Mann. Dessen Selbstbewusstsein ist im Gegensatz zum Alpha jedoch nicht von externer oder gesellschaftlicher Bewunderung abhängig. Er sieht sich als selbstbewusst und unabhängig, ist aber nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Andere Menschen, insbesondere Frauen, sind für ihn Mittel zum Zweck, um seine Ziele zu erreichen.
Eine weitere Variante toxischer Männerbilder sind Incels, eine Wortschöpfung aus „involuntary celibates“, also unfreiwillig im Zölibat lebende Männer. „Schuld daran sind selbstverständlich die Frauen, gegen die sich der Hass und die Enttäuschung dieser Männer richtet. Das gipfelte bereits in mehreren Femiziden und Morden, wie im Fall von Elliot Rodger, der 2014 sechs Menschen erschoss, um sich für sein zölibatäres Dasein zu rächen“, warnt Schartner. Mittlerweile ist dieses gefährliche Gedankengut in den USA so verbreitet, dass es als Gefahr für die innere Sicherheit angesehen wird.
Ebenfalls eng mit den Alpha-Männern und Incels verwandt sind die Pick-up-Artists, kurz PUA. „Sie sind davon überzeugt, für Frauen unwiderstehlich zu sein, denn Frauen ‚aufreißen‘ ist ihre Kernkompetenz“, erklärt Schartner. Ziel der PUAs ist es jedoch nicht, eine Frau fürs Leben zu finden, sondern möglichst viele zu erobern. In den sozialen Netzwerken geben die PUAs häufig Tipps, wie man mit Tricks und Sprüchen das Interesse von Mädchen und Frauen gewinnt. Manche versprechen sogar, dass man „jeder Frau gefallen kann“ – wenn man nur ihre Regeln befolgt. Die Männer stellen sich dabei häufig als „Jäger“ und Frauen als ihre „Beute“ dar. Dass diese Techniken bei weitem nicht so gut funktionieren, wie die PUAs behaupten, versteht sich von selbst. Bei Jugendlichen, die den Versprechungen dieser Menschen glauben, kann das zu Frust und einem gestörten Selbstbewusstsein führen – und am Ende auch dazu, dass sie sich mit Incels oder anderen toxischen Rollenbildern identifizieren.
Doch nicht nur bei den Männern gibt es toxische Rollenbilder, auch Frauen sind davor nicht gefeit. Ein Beispiel sind die sogenannten Tradwives, also Frauen, die ein traditionelles Familienmodell gewählt haben, bei dem der Mann der Versorger mit Job ist und die Frau für den Haushalt und, wenn vorhanden, die Kindererziehung zuständig ist. „Grundsätzlich ist an dieser Familienkonstellation nichts auszusetzen. Jede Familie darf und soll selbst entscheiden, was für sie funktioniert. Und wenn das bedeutet, dass ein Partner die Lohn- und der andere die Care-Arbeit übernimmt, dann ist das völlig okay. Aber derjenige, der die meist weniger angesehene und unbezahlte Arbeit übernimmt, muss sich auch freiwillig dafür oder eben dagegen entscheiden können“, fasst Schartner zusammen. Bei den Tradwives kommt jedoch oft noch ein weiterer Faktor hinzu: Sie sind eben kein gleichberechtigter Partner ihres Mannes, sondern lassen sich in ihren Freiheiten einschränken und geben die Kontrolle zumindest teilweise an den Partner ab – und genau das ist der Punkt, an dem dieses Frauenbild toxisch wird.
Doch nicht nur der Tradwife-Trend kann einen schlechten Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben. Auch wenn das Gegenteil propagiert wird, kann das schädliche Auswirkungen auf die Psyche und die Entwicklung haben. „Manche Influencer stellen es als total einfach dar, alle Rollen, die Frauen heute erfüllen sollen, unter einen Hut zu bekommen. Da ist man eine tolle Mutter, macht ganz nebenbei Karriere, sieht jederzeit gepflegt und fit aus, hat den Haushalt im Griff und nebenbei bleibt noch ausreichend Zeit für Dates mit dem Partner, für Sport und für die Freundinnen. Wer das nicht schafft, macht irgendetwas falsch“, fasst Schartner zusammen. „Dass an diesem Leben meist ein ganzes Team aus Putzfrauen, Assistentinnen, Nannys und Personal Trainern beteiligt ist, wird in den Videos natürlich nicht gezeigt.“ Und da liegt die Gefahr: Wer sich dieses Leben zum Vorbild nimmt, kann eigentlich bei der Erfüllung der Ansprüche nur Scheitern.
Das Internet ist ein Ort für Selbstdarsteller – und natürlich stellt man sich dabei in einem möglichst positiven Licht dar. Doch bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass durch die gezeigten Rollenbilder Druck aufgebaut wird, bestimmten Erwartungen zu entsprechen – die dann oft kaum oder überhaupt nicht erfüllt werden können. Wer solche Rollenbilder akzeptiert und für normal oder gar erstrebenswert erachtet, die angestrebte Rolle dann doch nie wirklich erreicht, fühlt sich schnell schlecht und ist frustriert. Gefühle wie Unsicherheit, Wut oder Scham können dadurch verstärkt werden. Manche Jugendliche entwickeln sogar ein verzerrtes Bild von sich selbst.
Um dem entgegenzuwirken, sollten Eltern ihre Kinder nicht allein lassen, mit dem was sie im Internet konsumieren. Stellt man bedenkliche Tendenzen fest, etwa durch Aussagen oder Verhaltensweisen, können Gespräche dabei helfen, das Gesehene einzuordnen und kritisch zu hinterfragen. Wichtig ist es, den Kindern und Jugendlichen dabei zu helfen, ein gesundes Selbstverständnis und -bewusstsein zu entwickeln, denn dann fällt es Influencern deutlich schwerer, sie negativ zu beeinflussen – sei es online oder offline.
Weitere Informationen zu toxischen Rollenbildern und wie man sich und seine Kinder vor ihrem Einfluss schützen kann, gibt es auf der Webseite von SpardaSurfSafe unter https://www.spardasurfsafe-bw.de/trends-phenomenons/0234c117-3791-4b11-aba2-377adddc2b7e Hier finden sich auch viele weitere spannende Beiträge rund um das Thema Sicherheit im Internet.
Über SpardaSurfSafe – eine Initiative der Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg
Veranstalter und Träger von SpardaSurfSafe ist die Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die gemeinsam mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg und dem Verein Sicherheit im Internet e. V. das Großprojekt im 14. Jahr durchführt. In Kooperation mit den IT-Sicherheitsexperten der 8com GmbH & Co. KG wurde ein Konzept entwickelt, das die Schüler im Rahmen des Unterrichts im Umgang mit den Neuen Medien aufklärt. „SpardaSurfSafe ist für uns ein Herzensprojekt, das wir mittlerweile in 35 verschiedenen Städten in Baden-Württemberg durchgeführt haben. Über 500.000 Teilnehmer konnten seit dem Start von dem Programm profitieren. Dafür bekommen wir durchweg positives Feedback von den Teilnehmern, ob Schüler, Eltern oder Lehrer“, erklärt Patrick Löffler vom Verein Sicherheit im Internet e. V.
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