
Für mehr Lebensjahre: Deutschland braucht den Herz-Kreislauf-Gesundheitscheck
„Mit dem Alter steigt auch die Häufigkeit von Herzkrankheiten wie koronare Herzkrankheit (KHK), Herzschwäche oder Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern stetig an und damit auch das Risiko für schwerwiegende Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall und plötzlicher Herztod. Je früher wir aktiv mit gezielter Prävention und Früherkennung vorsorgen, desto besser“, erklärt der Kardiologe Prof. Dr. Stephan Baldus, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung anlässlich der Vorstellung des neuen Deutschen Herzberichts – Update 2025 (www.herzstiftung.de/herzbericht). Warum eine flächendeckende Initiative für einen Herz-Kreislauf-Gesundheitscheck im besten Fall ab 35 und spätestens ab dem 50. Lebensjahr so dringlich ist, zeigen allein schon die Zahlen: „Die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit ist deutlich erhöht bei der Bevölkerung über 65 Jahre: bei Menschen im Alter von 65 bis 69 Jahren sogar über 60-fach höher als bei 25- bis 29-Jährigen“, erklärt der Direktor der Klinik für Kardiologie im Herzzentrum der Uniklinik Köln. Leider seien die Präventionsbemühungen hierzulande nur unzureichend, so Baldus. Über den Herz-Kreislauf-Gesundheitscheck informiert die aktuelle Ausgabe der Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ heute (Ausgabe 3/2025).
„Weil Deutschlands überdurchschnittlich hohe Herz-Kreislauf-Sterblichkeit mit über 348.300 Todesfällen im Jahr 2023 – das ist jeder dritte Sterbefall – vor allem Defiziten in der Prävention geschuldet ist, brauchen wir standardisierte Vorsorgeprogramme für Herz-Kreislauf-Erkrankungen für Menschen im besten Fall ab 35 und spätestens ab dem 50. Lebensjahr“, fordert der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Deutschen Herzstiftung Prof. Dr. Heribert Schunkert. Der Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am TUM Klinikum Deutsches Herzzentrum München und Prof. Baldus, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK), machen sich deshalb für bundesweite Anstrengungen zur Prävention mit Unterstützung aller gesellschaftlichen Gruppen des Gesundheitssystems, der Krankenkassen und der Politik stark. Beide sehen in einer besseren Umsetzung von Präventionsmaßnahmen und in mehr öffentlichem Bewusstsein für die Gefahr durch Herz-Kreislauf-Leiden den entscheidenden Hebel für Deutschland, „wieder den Anschluss an den bereits in anderen europäischen Ländern erreichten Stand der Herz-Kreislauf-Vorsorge zu gewinnen“. Besonders im Fokus dabei haben die Herzspezialisten sozial schwächere Bevölkerungsgruppen. Sie profitierten besonders von Vorsorgeuntersuchungen, „weil der sozioökonomische Status das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich beeinflusst“. Infos der Herzstiftung zur Prävention: https://herzstiftung.de/herzgesund-leben
Effektiv auch im mittleren Alter: Aktiv vorsorgen und über zehn Jahre länger leben
Wer im Alter von 50 Jahren einen normalen Blutdruck, normale Cholesterinwerte und ein gesundes Körpergewicht hat, nicht raucht und nicht an Diabetes erkrankt ist, bleibt im Vergleich zu Personen mit allen fünf Risikofaktoren länger von Herzkrankheiten verschont und lebt insgesamt länger: Frauen ohne Risikofaktoren sterben 14,5 Jahre später als Personen, die im mittleren Alter alle fünf Risikofaktoren aufweisen; Männer 11,8 Jahre (2). Hinzu kommt: Kardiovaskuläre Prävention umfasst zusätzlich auch Begleit- und Folgeerkrankungen wie Demenz, Nierenfunktionsstörungen oder pAVK. Dementsprechend sollte eine Vorsorge ab dem 35. Lebensjahr und spätestens ab 50 die folgenden Untersuchungen enthalten:
Blutdruck messen, Bluthochdruck behandeln
Ein hoher Blutdruck ist der wichtigste und häufigste beeinflussbare Risikofaktor für Herzkrankheiten wie Herzschwäche oder Vorhofflimmern. Bluthochdruck verursacht typischerweise keine Beschwerden. Deshalb sollte der Blutdruck regelmäßig gemessen und ein Bluthochdruck effektiv eingestellt werden.
Rauchen beenden
Etwa jeder fünfte Herz-Kreislauf-Todesfall geht laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit auf das Rauchen zurück. Vor allem die Raucherentwöhnung sollte zwingender Bestandteil der Herz-Kreislauf-Vorsorge sein. Ein generelles Angebot für Programme zur Raucherentwöhnung besteht in Deutschland aktuell nicht. Krankenkassen bezuschussen zwar zertifizierte Entwöhnungskurse (Verhaltenstherapien), das ärztliche Verordnen von Ersatzprodukten wie Nikotinpflaster zählt jedoch bislang nicht zur üblichen Kassenleistung. Anders in europäischen Ländern wie etwa Großbritannien: Dort bietet das nationale Gesundheitssystem kostenlose Programme zur Raucherentwöhnung an und stellt Nikotinersatzprodukte kostenlos oder zu einem geringen Preis zur Verfügung.
Körpergewicht kontrollieren
Übergewicht und Adipositas (Fettleibigkeit) sind unabhängige Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das gilt besonders für das (viszerale) Fettgewebe in der Bauchhöhle rund um die inneren Organe und das auf der Oberfläche des Herzens liegende (epikardiale) Fettgewebe, die entzündliche Prozesse und damit Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen. Ein regelmäßiges Bestimmen des Taillenumfangs im Verhältnis zur Körpergröße oder des Body-Mass-Index (BMI) hilft, das individuelle Risiko frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
EKG aufzeichnen
Das Aufzeichnen der elektrischen Aktivität des Herzens (Elektrokardiogramm, EKG) ermöglicht es, Herzrhythmusstörungen zu erkennen. Wird beispielsweise Vorhofflimmern
– die häufigste Rhythmusstörung – rechtzeitig erkannt und behandelt, lässt sich das Risiko für einen Schlaganfall infolge des Vorhofflimmerns um bis zu 70 Prozent senken.
LDL-Cholesterin bestimmen
Ein erhöhter Wert für das LDL-Cholesterin ist der wichtigste Risikofaktor für die Atherosklerose („Arterienverkalkung“) mit ihren schweren Folgen wie Herzinfarkt. Welchen LDL-Zielwert der Einzelne aufgrund seines Alters und seiner Krankengeschichte erreichen sollte, lasst sich mit speziellen Risikotabellen bestimmen. Ob künftig zur Vorsorge auch der Wert des überwiegend genetisch bedingten Blutfettes Lipoprotein(a), kurz Lp(a), in die Herz-Kreislauf-Vorsorgeuntersuchung einbezogen werden sollte, ist derzeit noch offen. Empfohlen wird Lp(a) einmal im Leben messen zu lassen.
Blutzucker messen
Der sogenannte HbA1c-Wert bildet den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten acht bis zwölf Wochen ab (Langzeitblutzuckerwert). Er dient zur Diagnose der Zuckerkrankheit Diabetes mellitus oder ihrer Vorstufe (Prädiabetes). Mit einem erhöhten HbA1c-Wert steigt auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Nierenfunktion beurteilen
Häufige Begleiter von Herz-Kreislauf-Leiden sind chronische Nierenerkrankungen. Sie erhöhen das Risiko für Komplikationen und somit die Sterblichkeit. Eine eingeschränkte Funktion der Nieren lasst sich mit Laboruntersuchungen (Blut und Urin) erkennen. Das ist nicht nur für die Prognose der Herz-Kreislauf-Erkrankung wichtig – auch das Fortschreiten einer Nierenerkrankung lässt sich mittlerweile erfolgreich medikamentös aufhalten.
Vorsorgeuntersuchungen: Warum hier selten, in Großbritannien häufiger genutzt?
Zwar bietet das deutsche Gesundheitssystem für gesetzlich Versicherte flächendeckend zugängliche und kostenfreie Vorsorgeuntersuchungen wie beispielsweise den einmaligen Gesundheits-Check zwischen 18 und 34 Jahre und ab 35 Jahren alle drei Jahre einen Check-Up, der auf kardiovaskuläre Risikofaktoren inklusive Diabetes zielt. Jedoch würden nur wenige Versicherte die Chancen zur Vorsorge wahrnehmen, betonen die Kardiologen Prof. Schunkert und Prof. Baldus. In der aktuellen Ausgabe von HERZ heute demonstrieren Baldus und Mitautorin Dr. Laura Di Benedetto, ebenfalls am Herzzentrum der Uniklinik Köln, warum andere europäische Länder Vorbildcharakter für regelmäßige Vorsorgeprogramme zur Senkung der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit haben. In Großbritannien etwa werden in einem Programm zur Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Nierenerkrankungen und Demenz Erwachsene zwischen 40 und 74 Jahren alle fünf Jahre eingeladen, an einer Untersuchung teilzunehmen. „Mit den so gewonnenen Gesundheitsdaten lässt sich die individuelle Gefährdung berechnen, in den nächsten zehn Jahren eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden. Dem Risiko entsprechend folgen eine individuelle Beratung und Therapie“, bringt die Kölner Ärztin Dr. Di Benedetto das Prinzip auf den Punkt.
(wi)
HerzFit – Gesund bleiben mit dem Smartphone
Die HerzFit-App bestimmt das Herzalter und hilft dem Herzinfarkt vorzubeugen. Die App
ist kostenfrei im Apple- oder Google Play Store erhältlich. Informationen zur HerzFit-App sind unter www.herzstiftung.de/herzfit-app abrufbar.
Weitere Infos zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen:
https://herzstiftung.de/cholesterin
https://herzstiftung.de/bluthochdruck
https://herzstiftung.de/herzgesund-leben
https://herzstiftung.de/rauchen-aufhoeren
Literatur
Di Benedetto, Laura, Baldus, Stephan, Aktiv vorsorgen!, HERZ heute 2025; 3, 22-25
- Jasilionis D, van Raalte AA, Klüsener S, Grigoriev P. The underwhelming German life expectancy. Eur J Epidemiol 2023;38:839-850.
- Magnussen C. et al. (2025): Global Effect of Cardiovascular Risk Factors on Lifetime Estimates. doi: 10.1056/NEJMoa2415879
Service: Der Deutsche Herzbericht – Update 2025 ist kostenfrei als ePaper mit vielen weiteren Infos abrufbar unter: www.herzstiftung.de/herzbericht
Infos für Herz-Kreislauf-Patienten bietet die Herzstiftung unter www.herzstiftung.de
Herzinfarkt-Risikotest: Die Herzstiftung bietet unter www.herzstiftung.de/risiko einen kostenfreien Herzinfarkt-Risikotest an.
Service: Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ heute
Mehr Informationen rund um die Effekte der Prävention bietet die Herzstiftung in der Ausgabe 3/2025 ihrer Zeitschrift HERZ heute mit dem Titel „Mehr Leben wagen Prävention: So schütze ich Herz und Kreislauf“. Ein Probe-Exemplar dieser Ausgabe kann kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter https://herzstiftung.de/bestellung angefordert werden.
Der Deutsche Herzbericht – Update 2025 ist kostenfrei als ePaper mit vielen weiteren Infos abrufbar unter: https://herzstiftung.de/herzbericht
Die Deutsche Herzstiftung e. V. wurde 1979 gegründet und ist heute die größte gemeinnützige und unabhängige Anlaufstelle für Patienten und Interessierte im Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zu den Hauptaufgaben der Herzstiftung gehört es, Patienten in unabhängiger Weise über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, deren Vorbeugung sowie über aktuelle Diagnose- und Therapiemöglichkeiten aufzuklären. Bekannt ist die Herzstiftung außerdem durch ihre bundesweiten Aufklärungskampagnen und als wichtige Förderinstitution in der Herz-Kreislauf-Forschung. Die hohe Qualität ihrer Informationsangebote beruht nicht zuletzt auf der Expertise der rund 500 Herzspezialisten im Wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Vorstandsvorsitzender ist der Kardiologe Prof. Dr. Thomas Voigtländer (Frankfurt am Main), Schirmherrin ist Barbara Genscher.
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