Gesundheit & Medizin

Metastasierung verhindern – ein Antikörper mit Potenzial

Ein bislang kaum erforschter Rezeptor in der Zellschicht, die die Blutgefäße von innen auskleidet, kurbelt sowohl die Neubildung von Blutgefäßen in Tumoren als auch die Metastasierung an. Wissenschaftlern vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg ist es gelungen, diesen Rezeptor mit einem Antikörper zu blockieren und so bei Mäusen mit Brust- oder Lungenkrebs das Ausbilden von Metastasen zu verhindern. Damit haben sie im Tierexperiment ein neues Prinzip aufgezeigt, wie zukünftig die gefürchtete Absiedelung von Krebszellen ausgebremst werden könnte.

Genau wie gesundes Gewebe sind Tumoren auf Nährstoffe angewiesen, die sie über den Blutkreislauf erhalten. Doch da Krebszellen sich rasch vermehren und die Geschwülste entsprechend schnell wachsen, kann hier ein Engpass entstehen – wenn nicht gleichzeitig auch neue Blutgefäße sprießen. Zudem stellen diese neuen Blutgefäße Transportwege dar, über die Krebszellen zu entfernten Organen gelangen, wo sie zu Metastasen auswachsen. Ein Ziel in der Krebstherapie ist es daher, die Angiogenese, also die Neubildung von Blutgefäßen zu unterbinden, um Tumoren so den Saft abzudrehen und so die Metastasierung zu verlangsamen. Entsprechende Wirkstoffe, die einen Signalweg der Angiogenese unterdrücken, sind bereits im klinischen Einsatz – allerdings mit begrenzter Wirkung.

Bereits vor zwei Jahren haben die Heidelberger und Mannheimer Forscher um Hellmut Augustin einen neuen Angriffspunkt entdeckt, über den das funktionieren könnte: Ein Rezeptormolekül namens Tie1. Es wird in den Endothelzellen gebildet, also in der Zellschicht, die die Blutgefäße von innen auskleidet. Bekannt ist außerdem, dass Tie1 bei der Tumorentwicklung und beim Wachstum von Blutgefäßen im Tumor vermehrt entsteht. „Wir kennen den Bindungspartner von Tie1 nicht und können daher noch nicht im Detail sagen, wie der Rezeptor wirkt“, sagt DKFZ Forscher Mahak Singhal, Erstautor der aktuellen Studie. Was die Wissenschaftler aber herausgefunden haben: Tie1 trägt bei fortschreitenden Krebserkrankungen dazu bei, dass sich das Wachstum der Blutgefäße und der Tumoren selbst beschleunigt. Außerdem destabilisiert Tie1 die Wände der Blutgefäße und fördert dadurch das Entstehen von Metastasen. Wird Tie1 bei Mäusen genetisch ausgeschaltet, unterdrückt dies sowohl das Tumorwachstum als auch die Metastasierung.

Tie1 ist demnach ein interessanter Angriffspunkt für die Krebstherapie. Vor diesem Hintergrund testeten die Wissenschaftler um Augustin eine Reihe von Antikörpern, die gegen Tie1 gerichtet sind. Tatsächlich konnten sie einen vielversprechenden Kandidaten ausmachen. Behandelten sie Mäuse, die Brust- oder Lungentumoren hatten, mit diesem Antikörper, so verlangsamte sich das Krebswachstum. Ein nennenswerter Effekt auf die Bildung von Blutgefäßen in den Tumoren ließ sich jedoch nicht beobachten. Dafür wiesen die behandelten Tiere signifikant weniger Metastasen auf als unbehandelte Mäuse mit Brust- oder Lungentumoren.

Das heißt, der Antikörper kann zwar die Angiogenese im Tumor nicht wirksam verhindern, birgt aber das Potenzial, bei einer Krebstherapie die Metastasenbildung auszubremsen. „Noch allerdings haben wir nur bei Versuchstieren beobachtet, dass der Antikörper eine therapeutische Wirkung hat“, betont Studienleiter Hellmut Augustin, dem es wichtig ist, keine verfrühten Hoffnungen zu wecken. „Bis er vielleicht tatsächlich eines Tages zur Behandlung von Krebspatienten zum Einsatz kommt, braucht es noch viele Experimente und Studien.“

Singhal M, Gengenbacher N, La Porta S, Gehrs S, Shi J, Kamiyama M, Bodenmiller DM, Fischl A, Schieb B, Besemfelder E, Chintharlapalli S, Augustin HG. Preclinical validation of a novel metastasis-inhibiting Tie1 function-blocking antibody. EMBO Molecular Medicine 2020, DOI: 10.15252/emmm.201911164

Über Deutsches Krebsforschungszentrum

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.

Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.

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