Maschinenbau

Mit Kraft und Können durch den Steilhang

Die im Oberbergischen Kreis gelegene Stadt Wiehl ist hinsichtlich ihrer Fläche und Einwohnerzahl nicht gerade groß, hat aber dennoch einige Sehenswürdigkeiten zu bieten: eine öffentlich begehbare Tropfsteinhöhle mit einem 868 m langen Gangsystem, einen 13,4 km Panoramasteig, den sogenannten Bierweg, das Museum „Achse, Rad und Wagen“, das die 5.500-jährige Geschichte des Fahrzeugbaus darstellt und einen Wildpark mit einem 1,8 km langen Naturlehrpfad.

Steil, drückend, instabil
Eine temporäre Sehenswürdigkeit bot die Stadt Wiehl Ende Mai 2020 mit der Erneuerung einer 275 m langen Mischwassersammelleitung unter ziemlich schwierigen Rahmenbedingungen:

  • Verlauf der zu erneuernden Rohrleitung an einem Steilhang
  • 7 m unterhalb einer Landstraße gelegen
  • eingebettet in massivem und zerklüftetem Fels
  • drückender Hang
  • extrem schlechte Zugänglichkeit in nicht befahrbarem Gelände und
  • 4 bis 5 m Überdeckung

Dieser Mischwassersammler wurde vor ca. 50 Jahren aus Betonrohren mit Stahlarmierung in den Nennweiten 600 mm und 700 mm gebaut – nun dokumentierte eine Kamerabefahrung eine Reihe von Schadensbildern wie Risse, Brüche und Wurzeleinwuchs. Eine herkömmliche Sanierung kam nicht in Frage, da zum einen der Querschnitt vergrößert werden musste und zum anderen durch die Überdeckung, den drückenden Hang und die oberhalb des Hangs gelegene Landstraße die statische Belastung der schadhaften Stahlbetonrohre nicht mehr gewährleistet war.

Grabenlose Bauweise, was sonst
Die Stadtwerke Wiehl beauftragten das ortsansässige Planungsbüro Schumacher (pbs) mit der Planung und Ausschreibung für die Erneuerung dieses problematischen 275 m langen Rohrabschnitts. Für die Verantwortlichen des pbs, die mit solch definierten Anforderungen bestens vertraut waren, ließen die komplizierten Rahmenbedingungen nur eines zu: Die Erneuerung der Leitung in geschlossener, grabenloser Bauweise mit dem statischen Berstlining-Verfahren (Zerstörung der alten Leitung durch einen Berstkörper und Verdrängung radial ins Erdreich bei gleichzeitigem Einzug der neuen Leitung) und Vergrößerung des Durchmessers um eine, respektive zwei Nennweiten. Allein der Verlauf der Leitung am Steilhang und die extrem schlechte Zugänglichkeit ließen definitiv keine offene Bauweise ohne Kostenexplosion zu. Vom Rückbau der Landstraße um 150 m, der bei offener Bauweise unumgänglich gewesen wäre, ganz zu schweigen.

Die Stadtwerke ihrerseits haben in der Vergangenheit viele gute Erfahrungen mit der grabenlosen Erneuerung von Rohrleitungen gesammelt und sie schätzen deren Vorteile sehr. In den letzten Jahren sind bereits einige große Sammelleitungen zu ihrer Zufriedenheit so erneuert worden, so dass auch sie die Entscheidung des Planungsbüros, gerade für diese Maßnahme die grabenlosen Bauweise mit dem Berstlining-Verfahren anzuwenden, befürworteten. Den Auftrag dazu erhielt die Alfes + Sohn GmbH aus Wenden, die in vielen Jahren schon so manches schwierige Projekt mit dem Berstlining-Verfahren, auch im Oberbergischen Wiehl, gemeistert hat. 

Schwierige Bedingungen
Im Vorfeld der Arbeiten ließ pbs zwei Rammsondierungen als Grundlage für ein Baugrundgutachten erstellen, mit denen die Verdrängbarkeit des Bodens dokumentiert werden sollte. Das Ergebnis sorgte nicht gerade für Optimismus: Die gesamte Rohrtrasse mit ihren 275 m war komplett im anstehenden Fels eingebettet, und wie viel veränderbarer Boden neben der Rohrtrasse vorhanden war – unbekannt. Also Bodenverdrängung wahrscheinlich so gut wie Null. Damit stand auch die Anwendung des Berstlinings auf dünnem Eis, denn – trotz aller Vorteile – barg es so ein großes Risiko!

In Ermangelung einer bezahlbaren Alternative und mit der auf langjähriger Erfahrung basierenden Zuversicht der verantwortlichen Mitarbeiter des hinzugezogenen Spezialunternehmens Alfes + Sohn sowie nach eingehender, fachlicher Beratung durch den Geschäftsführer, Gerhold Alfes, entschieden die Stadtwerke Wiehl, das Berstlining doch anzuwenden.

Die passende Lösung
Gerhold Alfes wäre nicht so ein erfolgreicher Unternehmer, wenn er nicht alle Möglichkeiten für eine solche schwierige Baumaßnahme austarieren würde. Am Tag, an dem die Erneuerung des Mischwassersammlers starten soll, ist er selbst vor Ort und erklärt: „Ich war mir natürlich bewusst, dass es kein Kinderspiel werden würde und dass wir uns u.a. auf den massiven Fels, in den die Rohrleitung eingebettet war sowie auf die Steillage unterhalb der Landstraße fokussieren müssen. Aber für alles gibt es eine Lösung! Hier in Wiehl heißt der eine Teil der Lösung, eine leistungsstarke, belastbare und zuverlässige Maschine einzusetzen – das ist der GRUNDOBURST 2500G. Der zweite Teil der Lösung ist eine angepasste Dimensionierung der Haltungslängen. Es macht Sinn, die erste Haltung 45 m und die zweite 100 m lang auszuführen. Die dritte Haltung, über 130 m, ist als letzte geplant, da sie gegebenenfalls seh r kritisch werden könnte“, so G. Alfes.

Perfekte Vorbereitung
Die 300 m georderten PP-HM Vortriebsrohre 730 x 35 mm (Langrohre) der SIMONA AG wurden vor Ort entsprechend zu drei Teilsträngen verschweißt und lagen zum Einbau bereit. Schwieriger gestaltete sich im Vorfeld das Anlegen der Baugruben mit Tiefen von bis zu 5,5 m in der Hanglage; Für die Verantwortlichen eine echte Herausforderung. Der drückende Hang musste stabilisiert werden, um einerseits die Sicherheit des Personals uneingeschränkt gewährleisten zu können und andererseits ein Absenken der Landstraße auszuschließen. „Auch auf solche Extreme müssen wir vorbereitet sein“, so Gerhold Alfes“, „und so haben wir die Baugruben mit SBH Mega-Rollenschlittenverbau verkleidet, der an der steilsten Stelle noch mit Felsankern gesichert wurde. Außerdem wurde der 25 t schwere Kettenbagger während des Aushubs mit Hilfe von Felsankern gesichert, um ein Abstürzen in den etwa 20 m tiefen und 60 ° steilen Abgrund zu verhindern“, so Alfes.

Haltung eins und zwei okay
Und los ging‘s: Der GRGUNDOBURST 2500G mit seiner maximalen Zugkraft von 2.550 kN, der Stärkste unter den Starken, war in Stellung gebracht, ebenso das Magazin mit dem Quicklock-Berstgestänge. Nicht gerade geschmeidig aber dennoch relativ gleichmäßig schob die Lafette das Gestänge in die Altrohrleitung ein. Hier hatte das Stahlbeton-Altrohr einen Durchmesser von DN 700. Das Aufbrechen und Verdrängen der alten Rohre klappte ganz gut, ebenso die Aufweitung auf 800 mm mit vier aufgeschweißten Messerleisten und das Nachziehen des neuen Rohrstrangs. Die Erneuerung der ersten beiden Haltungen war schon einmal erfolgreich.

Dann, bei der letzten 130 m langen Haltung, die in 7 m Tiefe verläuft, wird‘s schweißtreibend – für Mensch und Maschine: die Altrohrleitung verjüngt sich in einem Schacht auf DN 600 und die Trasse verläuft nicht mehr geradlinig: Sie knickt in Fließrichtung erst um 10 ° nach rechts ab und verläuft dann im letzten Drittel in einem leichten Bogen nach links. Jetzt musste das Alfes-Team mit höheren Kräften rechnen, sämtliche Kraftreserven des GRUNDOBURST 2500G waren nun gefordert.

Bei der dritten Haltung klemmt‘s
Kurz hinter dem 10 °-Knick stieg die Zugkraft erheblich, ja sogar bedenklich an, bis nach einigen Gestängen der Rohreinzug zum Erliegen kam. Etwa 30 m vor Ende des Vortriebs riss auf der Strecke eine Schweißnaht und teilte den Rohrstrang in zwei gleich lange Teile. Die Arbeiten wurden sofort gestoppt und die Rissstelle geortet. Dabei wurde festgestellt, dass am ersten durchfahrenen Schacht ein etwa 6 m langes Teilstück fehlte, der Bohrkanal aber in vollem Querschnitt ausgeprägt war. Problem erkannt, Problem gebannt: Am nächsten Tag schloss das Team diese „Lücke“ aus dem Schacht heraus durch den Einbau von Kurzrohrmodulen.

Parallel dazu teufte man unmittelbar an der aktuellen Position des Berstkopfs eine zusätzliche Baugrube ab, die nun nicht mehr im Steilhang angelegt werden musste und deshalb mit 3,5 m Tiefe ausreichend dimensioniert war. Jetzt konnten die noch fehlenden 30 m Alt-Rohrleitung im Berstlining-Verfahren fertiggestellt werden und zwar mit dem Einzug von Kurzrohren.

Ende gut, alles gut
Es war geschafft, alle haben alles gegeben: Die Stadtwerke Wiehl als Auftraggeber mit ihrem Vertrauen in das Berstlining-Verfahren und in die Menschen, die damit die schwierige Maßnahme realisierten, das Planungsbüro mit seiner weitsichtigen Kostenrechnung und seiner Zuversicht in eine sichere Auftragsvergabe sowie das ausführende Unternehmen, die Alfes + Sohn GmbH, mit ihrem langjährigen Know how, ihrer realen Risikoeinschätzung und nicht zuletzt mit ihrem vielfach erprobten und bewährten Problem-Lösungs-Management. Nicht zuletzt zählte am Abend die enorme Leistungsfähigkeit der GRUNDOBURST 2500G, die bis an die Belastungsgrenze ging, aber dennoch den Erfolg der Rohrerneuerung nicht in Frage stellte. Chapeau für Mensch und Maschine!

Über die TRACTO-TECHNIK GmbH & Co. KG

TRACTO ist Mitbegründer, Gestalter und Innovator der grabenlosen Technik. Das Unternehmen mit Stammsitz in Lennestadt-Saalhausen entwickelt, produziert und vertreibt Maschinen und Zubehör für die unterirdische Verlegung und Erneuerung von Rohrleitungen. Diese ressourcenschonende und nachhaltige NODIG-Technik findet Anwendung beim Bau von Leitungs-Infrastrukturen für Wasser, Gas, Strom, Telekommunikation, E-Mobilität und Fernwärme, bei der Glasfaservernetzung, im Pipelinebau sowie in der Abwasserentsorgung. Die Kunden für diese innovativen Systeme kommen hauptsächlich aus dem Bereich Tiefbau und Spezialtiefbau, aber auch Versorger und Netzbetreiber zählen dazu. Seit der Gründung im Jahr 1962 hat TRACTO zahlreiche bahnbrechende grabenlose Lösungen entwickelt und ist heute der weltweit einzige Vollanbieter für grabenlose Technik. Das Unternehmen mit Repräsentanzen in ganz Deutschland und Schwesterfirmen in der Schweiz, Großbritannien, Frankreich, Australien, Afrika und den USA hat weltw eit rund 600 Mitarbeiter.

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