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„Science“-Veröffentlichung: BfN warnt vor Abbau wissenschaftlicher Normen in Teilbereichen der Gentechnik

In einem aktuell veröffentlichten Peer Review-Artikel der renommierten Fachzeitschrift „Science“ warnt das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Großbritannien, Südafrika, Deutschland und den USA vor einer Abkehr von gut etablierten und evidenzbasierten wissenschaftlichen Normen bei der potentiellen Freisetzung von gentechnisch veränderten sich selbst ausbreitenden (GV) Viren.

Labormodifikationen von sich selbst ausbreitenden GV Viren sind genetisch zu flexibel, um sicher und vorhersehbar außerhalb geschlossener gentechnischer Anlagen verwendet zu werden. Diese evidenzbasierte und in der Wissenschaft gut etablierte Norm wird aktuell durch vorgeschlagene neue Freisetzungen von sich selbst ausbreitenden GV Viren in die Umwelt in Frage gestellt. Im Bereich Landwirtschaft werden beispielsweise GV Viren im Pflanzenschutz oder als Vektoren zur gentechnischen Veränderung von Nutzpflanzen erforscht. Auch im Wildtiermanagement wird vorgeschlagen, GV Viren als sich selbst ausbreitende Impfstoffe einzusetzen.

„Wer vorschlägt, gentechnisch veränderte, sich selbst ausbreitende Viren freizusetzen, übersieht oder unterschätzt die Dynamik eines Virus, das von Wirt zu Wirt wandern kann. Diese Dynamik der Selbstausbreitung verleiht Viren ein erhebliches Potenzial, ihre biologischen Eigenschaften zu verändern, sobald sie in die Umwelt gelangen. Eine solche Entwicklung birgt Gefahren, nicht zuletzt für unsere Natur“, betont BfN-Präsidentin Sabine Riewenherm.

„Die Technik, GV Viren zu entwickeln, gibt es schon seit Jahrzehnten. Neu ist, dass sich aktuell der bewährte vorsorgliche Ansatz bei Freisetzung von GV Viren ändert. Neben technischen Durchbrüchen, die ganz neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnen, ist es daher dringend notwendig, auch einen Abbau von wissensbasierten Normen im Blick zu behalten. Dies gilt im Übrigen neben GV Viren für alle gentechnischen Freisetzungen. Auch im Bereich Genome Editing bei Nutzpflanzen muss beispielsweise weiterhin das Vorsorgeprinzip gelten, da diese Anwendungen aus wissenschaftlicher Sicht sehr weitreichend sind und damit Risiken für Mensch und Umwelt bergen können“, führt Sabine Riewenherm weiter aus.

„Aus Sicht des Bundesamtes für Naturschutz ist es wesentlich, dass bei den 2022 anstehenden Verhandlungen bei der UN-Vertragsstaatenkonferenz zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt das Instrument zum sogenannten Horizon Scanning der Synthetischen Biologie dauerhaft und effektiv etabliert wird.“ Horizon Scanning ist ein standardisiertes Vorgehen, um Trends und Entwicklungen frühzeitig zu identifizieren und in ihrer Auswirkung auf Natur und Umwelt zu bewerten. Dabei müssen – so die aktuelle Veröffentlichung in Science – sowohl technische Durchbrüche in der Biotechnologie als auch sich ändernde wissensbasierte Normen beobachtet werden.

Informationen zur Publikation
Lentzos, E. P. Rybicki, M. Engelhard, P. Paterson, W. A. Sandholtz, R. G. Reeves, Eroding norms over release of self-spreading viruses.  Science Vol. 375, Issue 6576, pp. 31-33, DOI: doi/10.1126/science.abj5593
Der Artikel ist abrufbar unter: http://web.evolbio.mpg.de/HEVIMAs/

Biotechnologie und Gentechnik am BfN
Im Vollzug des Gentechnikgesetzes ist das Bundesamt für Naturschutz (BfN) Teil des Netzwerks der zuständigen Behörden in Europa, die für die Freisetzung und das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und aus GVO hergestellten Produkten zuständig sind. Damit unterstützt das BfN die Bewertung von entsprechenden GVO-Anträgen und stellt Informationen für die zuständige EU-Behörde, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), zur Verfügung. Im Mittelpunkt der BfN-Bewertung stehen die Auswirkungen von gentechnisch veränderten Organismen auf die Umwelt und auf die biologische Vielfalt sowie die Überwachung dieser Auswirkungen.

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