
Interreligiöser Dialog aus Sicht der christlichen Minderheit
Begegnung mit einem Islam-Experten
Im Austausch mit Imam Prof. Issa Ziddy, Islam-Experte und mehrfacher Teilnehmer interreligiöser Programme und Konferenzen der VEM, erhielten die Teilnehmenden Einblicke in die religiöse Geschichte Sansibars. Nach seiner Einschätzung gelingt die religionsübergreifende Zusammenarbeit vor allem auf praktischer Ebene, während der theologische Dialog bislang kaum eine Rolle spielt.
Interreligiöse Initiativen
Pfarrer Lusungu Mbilinyi stellte zwei interreligiöse Initiativen der Ostküstendiözese der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Tansania in Stone Town, dem Zentrum Sansibars vor, das zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.
Mit dem Projekt UPENDO („Liebe“ in Kiswahili) erhalten muslimische und christliche Frauen seit 2005 die Möglichkeit, eine Ausbildung als Näherin zu absolvieren. Rund 1.000 meist junge Frauen haben das Angebot bereits genutzt. Die gefertigten Kleidungsstücke werden unter anderem im eigenen Laden im Souk verkauft. Zudem ist UPENDO eine beliebte Weltwärts-Einsatzstelle für Nord-Süd-Freiwillige der VEM.
Im selben Gebäude ist das Zanzibar Interfaith Centre untergebracht. Das seit 2009 bestehende Zentrum fördert interreligiöse Verständigung und Konfliktlösung. Als besonders erfolgreich haben sich beispielsweise gemischt religiöse Fußballteams erwiesen, die sich im sportlichen Wettbewerb mit dem Dialogthema auseinandersetzen.
Als ein weiteres Beispiel für gelebte Zusammenarbeit der Religionen besuchte die Delegation die Nichtregierungsorganisation Zacca. Sie engagiert sich vor allem für Klima- und Umweltschutz und bringt Vertreter*innen aller Glaubensgemeinschaften zusammen, um insbesondere die fortschreitende Abholzung auf Sansibar einzudämmen. Zum Tätigkeitsfeld von Zacca gehören ferner die Katastrophenhilfe sowie Forschungs- und Bildungsarbeit.
Das dunkle Kapitel des Sklavenhandels
Auf dem Gelände des Sklavenmarktes in Stone Town errichteten anglikanische Missionare kurz nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei 1873 eine Kathedrale. Die Kirche ist bis heute Mahnmal für das Leid unzähliger Versklavter und zugleich Symbol des Widerstands. Im benachbarten Nationalmuseum zeigt eine eindringliche Ausstellung Sansibars dunkle Vergangenheit als Zentrum des Sklavenhandels. Gemeinsam mit dem zuständigen anglikanischen Pfarrer stellten sich die Teilnehmenden der Frage, welche Ursachen und Folgen dieser Handel hatte und was es für eine Gesellschaft bedeutet, wenn Menschen ihrer Würde beraubt und zur Ware degradiert werden.
Kirchenleitende im Dialog mit stellvertretendem Mufti von Sansibar
Ein Höhepunkt des Programms war das Treffen der Kirchenleitenden mit dem stellvertretenden Mufti von Sansibar, Sheikh Mahmoud Mussa Wadi, sowie weiteren religiösen Führungspersönlichkeiten im Büro des Mufti Mkuu. Im Gespräch wurden sowohl die Aufgabenbereiche der muslimischen Würdenträger vorgestellt als auch theologische Fragen und praktische Aspekte der Zusammenarbeit thematisiert. Die muslimischen Geistlichen unterstrichen die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für Sansibar, insbesondere in sozialen Fragen und zur Wahrung des gesellschaftlichen Friedens. Die Delegation der VEM-Mitgliedskirchen nahm aus dem Besuch die Erkenntnis mit, dass ein gelingender interreligiöser Dialog gegenseitige Wertschätzung und Toleranz erfordert.
Austausch über kontextuelle Herausforderungen
Ein wesentlicher Bestandteil des internationalen Begegnungsprogramms ist der Austausch über kirchliche Herausforderungen aus den jeweiligen Kontexten. Berichtet wurde beispielsweise über den Mitgliederrückgang und die zunehmende Säkularisierung in Deutschland und über irreführende religiöse Lehren und Falschprophezeiungen sowie den wachsenden religiösen Extremismus in afrikanischen und asiatischen Gesellschaften. Darüber hinaus bringen einige teilnehmende Kirchenvertreter*innen eigene Erfahrungen als christliche Minderheit aus ihrem jeweiligen Kontext mit.
„Ein großer Gewinn für die ökumenischen Beziehungen ist das Zusammentreffen von leitenden Menschen aus verschiedenen Kirchen aus Afrika, Asien und Deutschland. Der Austausch untereinander, die persönlichen Begegnungen und die Gespräche über die jeweiligen Herausforderungen, Hoffnungen und die kirchliche Arbeit sind außergewöhnlich bereichernd.
Der Austausch zum Thema „interreligiöser Dialog“ in Sansibar mit Menschen aus Sansibar gibt mir neue Impulse für meine interreligiöse Arbeit. Die Bedeutung von Religion als Werkzeug des Friedens und nicht des Konflikts ist für mich eine Schlüsselaussage dieser Tage,“ so Pröpstin Sabine Bertram-Schäfer, Teilnehmerin des Leadership Training 2025.
Leitung und Teilnehmende aus deutschen Landeskirchen
Das Leadership Training wird verantwortet von Pfarrerin Félicité Ngnintedem, Leiterin der Division Global Programs und Mitglied im Vorstand der VEM.
Aus der Region Deutschland nehmen folgende Vertreter*innen an dem Programm teil:
- Kirchenpräsidentin Dr. Susanne Bei der Wieden (Evangelisch-reformierte Kirche)
- Oberkirchenrätin Dr. Wibke Janssen (Evangelische Kirche im Rheinland)
- Annette Salomo (Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen)
- Pröpstin Sabine Bertram-Schäfer (Evangelische Kirche in Hessen und Nassau)
- Hans Burkhard von Dörnberg (Dekan von Marburg, Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck)
Die Vereinte Evangelische Mission (VEM) mit Büros in Wuppertal, Indonesien und Tansania ist eine internationale, gleichberechtigte Gemeinschaft von 39 Mitgliedern, darunter 32 evangelische Kirchen in Afrika und Asien sowie sechs deutsche EKD-Kirchen und den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Die VEM verfolgt konsequent ein ganzheitliches Missionsverständnis. Dazu gehört, die Lebensumstände notleidender und benachteiligter Menschen unter Achtung ihrer persönlichen Würde und Berücksichtigung ihres kulturellen Kontexts zu verbessern.
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