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Geruchsbelästigung: Streit um Gerüche und Geräusche

Die einen ziehen aufs Land der frischen Luft und Ruhe wegen. Die anderen müssen dort ihr Geld im landwirtschaftlichen Betrieb verdienen. Da prallen nicht selten zwei Welten aufeinander – und häufig beginnt hier der Streit um Geruchsbelästigung, Immissionen und landwirtschaftliche Geräusche.

Geruchsbelästigung oder Schadstoffimmission sind im ländlichen Raum normal. Und doch kommt es immer häufiger zu Konflikten zwischen ansässigen Landwirten und zugezogenen Anwohnern. Verstärkt werden die Probleme durch den Rückgang der aktiven landwirtschaftlichen Betriebe.

Dieser Höfeschwund ist oft mit einer Konzentration der Produktion verbunden. Die lokale Zahl der Tiere erhöht sich bei den verbleibenden Höfen. So auch im Fall eines Landwirtschaftsbetriebs, der den Neubau und die Erweiterung einer Ferkelzuchtanlage mit 1.920 Plätzen im Außengebiet eines angrenzenden Dorfs (Paragraph 5 BauNVO) genehmigt bekam – rund 160 Meter entfernt von einem Fotoatelier, das sich gegen die Genehmigung wehrte.

Wie oft es riechen darf

In dem Dorfgebiet betreiben insgesamt neun Landwirtschaftsbetriebe Rinder- und Schweinehaltung. Die Inhaber des Fotoateliers waren hierdurch bereits einer Geruchsfracht – also der Wahrnehmung, die von Stoffen stammt, die riechen und sich mit dem Wind bewegen – von 34,7 Prozent der Jahresstunden ausgesetzt. Die Geruchsbelästigung hätte sich zwar auf 33,7 Prozent der Jahresstunden reduziert, wenn der Landwirtschaftsbetrieb sein Vorhabenumgesetzt hätte. Zulässig wären aber lediglich 20 Prozent der Jahresstunden gewesen.

Geruchsbelästigung ist zu dulden

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in seiner Entscheidung vom 27. Juni 2017 zugunsten des Landwirtschaftsbetriebs entschieden und die Genehmigung der Ferkelzuchtanlage bestätigt – trotz der hohen Geruchsbelästigung. Warum? Die Genehmigung der Ferkelaufzuchtanlage richtet sich aufgrund der geringen Größe nach dem Baugesetzbuch und nicht nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).

Nach dem Baugesetzbuch wird eine Ferkelzuchtanlage nur dann nicht genehmigt, wenn sie schädliche Umwelteinwirkungen verursacht. Darunter fallen auch Geruchsimmissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, die Allgemeinheit oder Nachbarschaft erheblich zu belästigen. „Im Gesetz oder in Verwaltungsvorschriften ist nicht geregelt, was ,erheblich‘ bedeutet, wie stark und lange es also, wie in diesem Fall, schlecht riechen darf“, sagt Stefan Kröber, Rechtsanwalt bei Ecovis in Leipzig.

Woran aber können sich Landwirte und betroffene Anwohner dann halten? „Es kommt darauf an, ob die Immission das nach der gegebenen Situation zumutbare Maß überschreitet“, erklärt Kröber. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und insbesondere der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets oder Dorfgebiets – wie im Fall der Ferkelzuchtanlage – zu bestimmen. Um festzustellen, ob eine Belästigung zumutbar ist, sind die Vorbelastungen zu berücksichtigen. Soll in einem erheblich vorbelasteten Gebiet ein weiteres immitierendes Vorhaben zugelassen werden, ist das nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann möglich, wenn

  • die vorhandene Immissionssituation verbessert wird oder
  • die Situation nicht verschlechtert wird, sofern die Vorbelastung die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten hat, und
  • das immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen nach dem Stand der Technik vermeidet.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist das Vorhaben genehmigungsfähig.

Rechtlicher Umgang mit Schadstoffimmission

Einem Landwirtschaftsbetrieb wurde außerhalb eines Dorfs eine Schweinemastanlage genehmigt. Diese Anlage emittiert Bioaerosole. Das sind alle im Luftraum befindlichen Ansammlungen von Partikeln, denen Pilze, Bakterien, Viren und/oder Pollen sowie Stoffwechselprodukte anhaften. Das Dorfgebiet, in dem sich auch ein Lebensmittelmarkt befindet, ist stark bebaut.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte bereits in einer Entscheidung im Jahr 2014 geurteilt, dass Luftverunreinigungen durch Bioaerosole in der Umgebung einer Schweinemastanlage laut Bundesimmissionsschutzgesetz eine Gefahr darstellen. Die Bioaerosole sind als schädliche Umwelteinflüsse einzustufen. Daher ist von einer unzumutbaren Immission auszugehen. Demnach wäre die Schweinemastanlage nicht genehmigungsfähig gewesen.

In seiner Entscheidung pro Schweinemastanlage stellte das BVerwG jedoch einiges klar:

  • Trotz der vorrückenden Wohnbebauung hat das Gebiet seinen Charakter als Dorf nicht verloren.
  • Das Dorf ist nicht zu einem Wohn- oder Mischgebiet geworden, und zwar unabhängig davon, ob die ansässigen Bauernhöfe derzeit tatsächlich noch Landwirtschaft betreiben oder nicht.
  • Bioaerosole können grundsätzlich Auslöser beispielsweise von Atemwegserkrankungen und Allergien sein und sich nachteilig auf die Gesundheit auswirken.
  • Die generelle Eignung, dass einwirkende Luftverunreinigungen einen Schaden herbeiführen, belegt jedoch noch nicht, dass im konkreten Fall tatsächlich schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren erhebliche Nachteile und Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorrufen.

„Die immissionsrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr nur ein, wenn es wahrscheinlich ist, dass ein Schaden für die Betroffenen besteht“, sagt Rechtsexperte Kröber. Die Schutzpflicht dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. Ob Umwelteinwirkungen im Einzelfall geeignet sind, Gefahren herbeizuführen, ist jeweils verwaltungsgerichtlich zu prüfen.

Im Sinne der Landwirte geurteilt

Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zeigen, dass sich die Landwirtschaft im ländlichen Raum mit der notwendigen Wohnbebauung arrangieren muss. Die Verwaltungsgerichte räumen aber den Landwirten Privilegien ein, wenn es darum geht, Tieranlagen einzurichten und zu betreiben. Begründet wird dies auch damit, dass derjenige, der sich für das Leben im Dorf entscheidet, auch hinnehmen muss, dass es dort bisweilen nach Landwirtschaft riecht. Die Abwägung, ob derlei Geruchsimmissionen hinnehmbar sind oder nicht, fällt insoweit oftmals zulasten der Wohnbebauung aus. Selbst für den Fall bereits überschrittener Grenzwerte kann es zumutbar sein, wenn sich die Immission durch weitere Anlagen nicht verschlechtert.

Zu berücksichtigen ist, dass die Urteile Einzelfallentscheidungen sind. Das Gericht musste jeweils abwägen, ob bestimmte Immissionen noch zumutbar sind oder nicht. „Im Falle größerer Tierhaltungsanlagen werden andere und höhere Anforderungen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gestellt. Das zieht häufig auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach sich“, erklärt Ecovis-Experte Kröber.

Stefan Kröber, Rechtsanwalt bei Ecovis in Leipzig

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