Finanzen / Bilanzen

ifo Institut erwartet stärkere Diversifizierung der deutschen Lieferketten

Die Coronakrise könnte für eine stärkere Diversifizierung der deutschen Lieferketten sorgen. Gerade bei sensiblen Importen wie Medizingütern sei das empfehlenswert, da hier Lieferausfälle drastische Folgen haben könnten, heißt es in einem aktuellen Aufsatz von Rahel Aichele, Martin Braml und Lisandra Flach für den ifo Schnelldienst.

Allgemein sei Deutschland aber gut auf mögliche Lieferausfälle vorbereitet. Knapp 89 Prozent aller Güter werden aus elf oder mehr Ländern importiert. Nur 3,6 Prozent aller Güter werden aus fünf oder weniger Ländern bezogen. Davon stammen 44 Prozent  aus Ländern innerhalb der EU. Unter den Produkten, die aus fünf oder weniger Ländern importiert werden, werden die USA und die Schweiz häufiger genannt als China oder Mexiko.  Die Güter, die ausschließlich aus einem Land importiert werden, umfassten weniger als 1 Prozent aller Produkte und weniger als 0,1 Prozent des gesamten Importwertes.

Allerdings sei ein freier Warenverkehr innerhalb Europas für den wirtschaftlichen Neustart nach der Corona-Pandemie erforderlich. Denn in Deutschland finden 17 Prozent der Produktion über internationale Wertschöpfungsketten statt. Das ist deutlich mehr als in vielen anderen Ländern. Für Deutschland nimmt  das Produktionsnetz Europa eine überragende Rolle ein, die deutschen Wertschöpfungsketten seien vor allem regional geprägt.

Deutschland und die EU sind  stärker in internationale Lieferketten eingebunden als China und die USA, aber auch als der Durchschnitt aller Länder weltweit So habe im Jahre 2015 nur etwa 69 Prozent der deutschen und 71,8 Prozent der EU-Wertschöpfung keine Grenze überquert. Dies ist im internationalen Vergleich wenig. Der Weltdurchschnitt lag  bei 80 Prozent, in China lag er bei rund 83 Prozent, in den USA sogar bei knapp 90 Prozent.

Aufsatz: „Status quo und Zukunft globaler Lieferketten“ von Lisandra Flach (LMU München), Rahel Aichele (ifo) und Martin Braml (ifo) in: ifo Schnelldienst 5/2020; veröffentlicht hier:
https://www.ifo.de/publikationen/2020/aufsatz-zeitschrift/neustart-der-industrie-unter-dem-einfluss-von-covid-19-wie

Der ifo Schnelldienst 5/2020 findet sich hier:
https://www.ifo.de/…

Seine Themen lauten:

Neustart der Industrie unter dem Einfluss von Covid-19:

Wie bereit ist die globale Lieferkette?

Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie fragil das Geflecht internationaler Arbeitsteilung ist: Lieferungen von Vorleistungen aus dem Ausland blieben aus, als ganze Fabriken geschlossen wurden. Die Lieferketten bekamen Lücken – zuerst in China, später in anderen asiatischen und europäischen Ländern. Wenn es für diese Vorprodukte in einem Importland keine Substitute gab, erlitten betroffene Unternehmen erhebliche Produktionseinbußen oder sogar einen Stillstand der Produktion.

Unsere Autoren zeigen im aktuellen Schnelldienst, wie stark die deutsche Wirtschaft in die internationale Verflechtung eingebunden ist. Werden Unternehmen – um Lieferengpässe zu vermeiden – zukünftig ihre Versorgung mit Vorleistungen nicht nur unter Effizienz- und Kostenaspekten planen, sondern Risikogesichtspunkte stärker berücksichtigen? Wie lässt sich die Architektur von Lieferketten so gestalten, dass Unternehmen weniger abhängig von globalen Produktionsnetzwerken sind? Wirtschaftspolitische Maßnahmen helfen möglicherweise, Anreize für eine heimische Produktion von strategisch wichtigen Gütern zu schaffen, allem voran lebenswichtigen Arzneimitteln.

Diskutiert wird auch, ob eine Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland und Europa realistisch und vor allem wünschenswert ist.

Auf unserer Website finden Sie weitere Beiträge zur Coronakrise, unter anderem den »Corona-Branchenatlas«, der über die Situation einzelner Branchen informiert:

https://www.ifo.de/…

Zur Diskussion gestellt

Neustart der Industrie unter dem Einfluss von Covid-19: Wie bereit ist die globale Lieferkette?

Globale Wertschöpfungsketten in Zeiten von (und nach) Covid-19        3

Holger Görg und Saskia Mösle

Globale Lieferketten zwischen Effizienz und Resilienz            7
Thieß Petersen

Stehen globale Lieferketten nach der Krise vor einem Rückbau?           10
Hartmut Egger

Wie Covid-19 Deutschland und die Weltwirtschaft verändert   13
Kemal Kilic und Dalia Marin

Status quo und Zukunft globaler Lieferketten             16
Lisandra Flach, Rahel Aichele und Martin Braml

This Time Is Different, Again          23
Ralph Wiechers und Thomas Steinwachs

Marktversagen bei der Arzneimittelversorgung am Beispiel von Antibiotika     26
Morris Hosseini und Michael Baur

Worauf es jetzt ankommt 29
Kai Joachimsen

Lieferketten im Stresstest – aber wollen wir wirklich die alten wiederhaben?   31
Ronald Bogaschewsky

Forschungsergebnisse

Apotheke der Welt oder am Tropf der Weltwirtschaft? Deutschlands Außenhandel

auf dem Markt für Arzneien und medizinische Ausrüstungen                35
Martin Braml, Feodora Teti und Rahel Aichele

Regionale Ungleichheit in Deutschland: Wo leben die Reichen und wo die Armen?        43
Lea Immel und Andreas Peichl

Die deutsche Teilung und Wiedervereinigung und die »Auswirkungen« des Kommunismus          48
Sascha O. Becker, Lukas Mergele und Ludger Wößmann

Daten und Prognosen

Covid-19: Die Weltwirtschaft auf der Intensivstation: Erkenntnisse aus einer weltweiten Expertenumfrage             52
Dorine Boumans, Sebastian Link und Stefan Sauer

Konjunkturumfragen im Fokus: Coronakrise trifft deutsche Wirtschaft mit voller Wucht             57
Simon Litsche, Stefan Sauer und Klaus Wohlrabe

Branchen und Sektoren

Branchen im Fokus: Lebensmitteleinzelhandel         62
Sabine Rumscheidt

Im Blickpunkt
Digitale Herausforderungen für Schulen und Bildung              68
Ludger Schuknecht und Andreas Schleicher

Kurz zum Klima:

Die Coronakrise und ihre Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Energiepreise              71
Sandra Gschnaller, Jana Lippelt und Karen Pittel

Weitere Termine:
Munich Economic Debate mit Constanze Stelzenmüller am 18. Mai
Online-Vortrag EconPol Clemens Fuest und Antonia Díaz: "The European Recovery Fund" am 20. Mai
ifo Geschäftsklima Deutschland am 25. Mai
ifo Geschäftsklima Ostdeutschland am 28. Mai

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Information und Forschung: Dafür steht das ifo Institut seit seiner Gründung im Januar 1949. Es ist eines der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Europa. Seine Forschung untersucht, wie staatliches Handeln wirtschaftlichen Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt nachhaltig wahren und steigern kann. Das ifo Institut kooperiert eng mit der Ludwig-Maximilians-Universität, dem Center for Economic Studies (CES) und der CESifo GmbH und ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

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