Finanzen / Bilanzen

Corona-Plan nur für EU-25 kann Vetomacht von Polen und Ungarn beenden

Ungarn und Polen haben ihr Veto gegen den 1,8-Billionen-Euro-EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 eingelegt. Streitpunkt sind die neuen Regeln, wonach Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit EU-Gelder verlieren können. Prof.  Dr.  Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft" am ZEW Mannheim, nimmt dazu Stellung:

„Im verhärteten Konflikt von Polen und Ungarn mit dem Europäischen Parlament und der Mehrheit der Mitgliedstaaten wird am Ende jene Seite klein beigeben müssen, für die eine Blockade der EU-Finanzen kostspieliger ist. Ungarn und Polen besitzen dabei ein Ass im Ärmel: Weil Italien und Spanien ohne EU-Hilfe vom Finanzkollaps bedroht sind, müsse Europa einlenken, so das Kalkül im Osten. Für Ungarn und Polen hingegen ist der kurzfristige Schaden einer Blockade weit geringer. Zwar blockieren sie mit dem Veto die eigenen Gelder, sie sind allerdings von der Corona-Rezession weniger stark betroffen als die Südeuropäer und haben geringere Staatsschulden zu tragen. Die Zeit arbeitet somit für Orbán und Morawiecki. Ohne eine Änderung der strategischen Situation werden die beiden den Poker gewinnen.
 Doch gibt es einen Ausweg, um einen zahnlosen Rechtsstaats-Mechanismus abzuwenden: Der EU-Corona-Wiederaufbauplan ‚Next Generation EU‘ kann über einen Vertrag der verbleibenden 25 Staaten etabliert werden, da dieser ohnehin von den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss. Damit ist es auch vorstellbar, eine 25er-Vereinbarung zu Next Generation EU ohne die beiden Länder über den Weg eines internationalen Vertrags zu schließen. Solche differenzierten Integrationsschritte gehören seit Jahrzehnten zur Gestalt Europas, ob beim Euro, bei Schengen oder in der Steuerpolitik. Finanziell würde die Begrenzung des Corona-Plans auf 25 Staaten dessen Durchführung sogar erleichtern, weil die hohen Transfers an Polen und Ungarn entfallen. Dies würde es erlauben, die Finanzierungslast der Nettozahler zu verringern. Auch das macht die Ankündigung einer 25er-Lösung hochgradig glaubwürdig. Mit dem Corona-Plan für die ‚EU minus zwei‘ läuft die Vetodrohung aus Warschau und Budapest ins Leere. Ungarn und Polen könnten zwar immer noch den regulären EU-Haushalt blockieren. Aber dieses Druckmittel ist schwach, weil der Haushalt ohne Einigung auf dem Vorjahresniveau fortgeführt werden kann. Das Charmante an dieser Option erschließt sich auch aus ihrer strategischen Wirkung. Alleine die Ankündigung dieses glaubwürdigen ‚Plan B‘ würde die Verhandlungsmacht zu Lasten Ungarns und Polens verschieben. Beide Länder würden ihr Drohpotenzial verlieren und letztlich einlenken müssen. Es ist höchste Zeit für die deutsche Ratspräsidentschaft, diesen Plan B auf den Tisch zu legen.“

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

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