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Ein vergessenes Jubiläum

| APD | Friedensau bei Magdeburg | 08.12.2020 | APD | Nicht alle Jubiläen werden auch gefeiert. Manche würden stillschweigend übergangen oder gingen in der Erinnerung einfach verloren, schreibt Dr. Johannes Hartlapp, Dozent für Kirchengeschichte an der Theologischen Hochschule der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Friedensau bei Magdeburg, im Mitteilungsblatt „Unser Friedensau“, 2/2020.

Vom 21. bis 23. Juli 1920 trafen sich in Friedensau unter dem Vorsitz des Präsidenten der Generalkonferenz (Weltkirchenleitung) der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten, Arthur Daniells, Vertreter der adventistischen „Reformationsbewegung“ auf der einen und Vertreter aus den drei deutschen Unionen der Freikirche sowie aus Holland, Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn auf der anderen Seite. Neben Daniells waren drei weitere Mitglieder der Generalkonferenz anwesend.

Trotz Schuldbekenntnis bis heute weltweite Spaltung
Das Besondere an diesen Gesprächen war der Umstand, dass alle Versammlungen im Plenum stenografisch festgehalten und als ein von beiden Seiten anerkanntes Protokoll veröffentlicht wurden. Das Tragische liegt im Ergebnis: Es kam zu keiner Verständigung, so Hartlapp. „Jeder fühlte sich in seiner Position bestätigt, Fehler wurden nicht zugegeben, Missverständnisse nicht ausgeräumt, sondern weiter ausgemauert. Beide Parteien fühlten sich im Recht.“ Das Scheitern sei eine logische Konsequenz gewesen. So bleibe als Ergebnis bis heute eine weltweite Spaltung, die auch trotz des Schuldbekenntnisses der Freikirchenleitung der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland von 2014 nach wie vor bestehe.

Doch was war geschehen? Für die meisten Zeitgenossen kam der Ausbruch des Ersten Weltkrieges völlig überraschend. Allein Siebenten-Tags-Adventisten schienen zumindest theoretisch darauf vorbereitet zu sein, berichtet Harlapp. Schon seit Jahren habe damals die sogenannte „Orientalische Frage“ einen wichtigen Baustein in der Argumentation zur Begründung der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Jesu gebildet. Das Osmanische Reich werde bald zusammenbrechen. Dieses finale Ereignis falle mit der in der Bibel vorausgesagten Schlacht von Harmagedon (Offenbarung 16,16) zusammen. „So wurde es verkündigt. Und genau diese weltpolitische Konstellation entwickelte sich bei Kriegsbeginn auf dem Balkan.“

Militärdienst auch am Sabbat
In Wirklichkeit wären die Leiter der Adventisten in Deutschland durch den Kriegsausbruch genauso überrascht worden, wie ihre Zeitgenossen. Aus Sorge um die Existenz der Freikirche sandten sie verschiedene Schreiben an ihre Gemeinden und die Regierung, in denen sie sich vollständig loyal verhielten, stellte der Friedensauer Historiker fest. Adventisten sollten als gute Staatsbürger mit der Waffe in der Hand auch am Sabbat (Samstag), dem biblischen Ruhetag, ihren Militärdienst erfüllen. Das sei schon immer ein Grundsatz gewesen. „In vielen Gemeinden wurde das aber ganz anders gesehen.“ Jetzt sei es höchste Zeit, sich auf die Wiederkunft Jesu vorzubereiten. Und deswegen hätten einige gemeint, sie müssten die Einberufung zum Militär verweigern. Vor dem Krieg hätten Adventisten den Wehrdienst geleistet. Allerdings wäre es wegen der Dienstverweigerung von adventistischen Soldaten am Sabbat immer wieder zu Verurteilungen und teils langjährigen Haftstrafen gekommen.

Wenn das Steinobst blüht …
Als sich im zeitigen Frühjahr 1915 ein wegen Impfverweigerung desertierter Adventist mit einer Vision zu Wort meldete und voraussagte, dass zur Steinobstblüte die Wiederkunft Christi stattfinden werde, sei er laut Hartlapp auf offene Ohren gestoßen. Nachdem die vorausgesagte Zeit vorübergegangen war, behauptete er um glaubwürdig zu bleiben, dass Gott ihm in einer zweiten Vision mitgeteilt hätte, dass die adventistischen Gemeinden für die Wiederkunft nicht vorbereitet gewesen wären. Außerdem sei die Freikirchenleitung von Gott abgefallen, da deren Verlag in Hamburg seine Visionen nicht drucken wollte. Wer wahrhaft glaube, der müsse jetzt die Freikirche verlassen und sich in kleinen Gruppen versammeln.

„So begann die Separation.“ Weitere Gründe seien gesucht und gefunden worden, falsche Anschuldigungen kursierten von beiden Seiten. Missverständnisse und persönliche Spannungen hätten die Stimmung aufgeheizt. „Aus Brüdern wurden Feinde.“ Die Generalkonferenz als höchste Instanz der Adventisten sollte eingreifen. Doch sechs Jahre nach Ausbruch der Spannungen hätten die Reformadventisten bereits eine neue Kirche neben der alten mit eigenen Strukturen und einer noch stärker autoritären Führung etabliert. Das wäre keine gute Voraussetzung für ein gegenseitiges Aufeinander-Hören und Aufeinander-Zugehen gewesen. „Von wenigen Ausnahmen abgesehen, leider bis heute“, beklagt Hartlapp.

Weltweite Spaltung der adventistischen „Reformationsbewegung“
Laut Diplom-Theologe Holger Teubert, der frühere Leiter der Zentralstelle für Weltanschauungsfragen der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Deutschland, erlebte im Mai 1951 auch die „Reformationsbewegung“ eine weltweite Spaltung. Seitdem gibt es die Internationale Missionsgesellschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, Reformationsbewegung (IMG) und die Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten, Reformationsbewegung (STAR). Die Generalkonferenz der IMG befindet sich in Cedartown, Georgia/USA, Sie zählt nach eigenen Angaben weltweit 33.663 Mitglieder in 135 Ländern, davon in Deutschland 350 (Stand: 31.12.2017). Die Generalkonferenz der STAR hat ihren Sitz in Roanoke, Virginia/USA. Sie umfasst weltweit 42.285 Mitglieder in 127 Ländern, davon in Deutschland 205 (Stand: 31.12.2018). Jede der beiden Glaubensgemeinschaften betrachte sich als die einzige, wahre und legitime Reformationsbewegung unter den Adventisten. Zum Vergleich: Zur Generalkonferenz der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Silver Spring, Maryland, im Großraum der US-Hauptstadt Washington gelegen, gehören weltweit 21.414.779 Mitglieder in 212 Ländern, davon in Deutschland 34.792 (Stand 31.12.2018).

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