Verbraucher & Recht

Klärung zum Verständnis der „Vormiete“, die in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zu höherer Eingangsmiete berechtigt

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Amtlicher Leitsatz

Mit dem Tatbestandsmerkmal "Miete, die der vorherige Mieter zuletzt schuldete (Vormiete)" nimmt § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB auf eine Miete Bezug, die in einem Wohnraummietverhältnis gezahlt wurde.

Der Vermieter kann sich nicht mit Erfolg auf die Maßgeblichkeit der in einem (früheren) Wohnraummietverhältnis gezahlten "Vormiete" im Sinne des § 556e Abs. 1 Satz 1 BGB berufen, wenn er die Räume vor dem nach den §§ 556d ff. BGB zu beurteilenden Mietverhältnis zuletzt gewerblich vermietet hat.

Zum Sachverhalt

Der Vermieter hatte eine Wohnung, die in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt, bis Ende 2012 zu Wohnzwecken für eine Nettokaltmiete von 950 € vermietet. Im Zeitraum zwischen 2012 und 2016 wurde die Einheit zu einer Gesamtmiete von monatlich 900 € als Büro vermietet. 2016 mietete die Klägerin dann die Wohnung zu Wohnzwecken an zu einer Nettokaltmiete von 950 €. Gut ein Jahr nach Mietbeginn rügte die Klägerin/Mieterin, dass diese Nettokaltmiete die nach dem einschlägigen Mietspiegel ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % übersteigt. Sie forderte daher die Zustimmung des Vermieters zu der entsprechenden Mietreduzierung und die Rückzahlung überzahlter Miete. Sie berief sich dabei auf die Bestimmung des § 556d BGB, wonach Wohnraum, der in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegt, nur zu einem Anfangsmietzins vermietet werden darf, soweit dieser max. 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Das Berufungsgericht hat zunächst entschieden, dass sich der Vermieter auf die früher (also bis 2012) vereinbarte Nettokaltmiete von 950 € berufen und deshalb gemäß § 556e Abs. 1 BGB eine höhere als die max. 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegende Miete verlangen durfte. In der Revisionsinstanz hob der BGH diese Entscheidung auf.

Begründung

Der BGH legt zunächst die Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 1 S. 1 BGB dahin aus, dass diese sich nur auf die Fälle bezieht, in denen mit dem Begriff des vorherigen Mieters ausschließlich auf den direkten Mietvorgänger abgestellt wird, soweit diesem die Wohnung ebenfalls zu Wohnzwecken vermietet war. Die sogenannte „Vormiete" im Sinne des § 556e Abs. 1 S. 1 BGB komme also ausschließlich als Wohnraummiete in Betracht, nicht aber etwa als Miete aus der Vermietung der Räumlichkeiten zu anderen als zu Wohnzwecken. Unter Heranziehung allgemeiner Auslegungsgrundsätze kommt der BGH des weiteren zu dem Ergebnis, dass mit dem „vorherigen Mieter" im Sinne des § 556e Abs. 1 S. 1 BGB nur der zeitlich letzte Vormieter gemeint sein kann, nicht irgendein Vormieter, der die Räume in der Vergangenheit irgendwann einmal innehatte. Aus den Zielen des Gesetzgebers, insbesondere einer Gentrifizierung der Mietbezirke entgegenzuwirken und sicherzustellen, dass die Bevölkerung bezahlbare Mietwohnungen findet, des Weiteren eine Abwanderung einkommensschwacher Mieter abzuwehren, leitet das Gericht ab, dass die Ausnahmeregelung des § 556e Abs. 1 S. 1 BGB eng auszulegen ist. Aus den Erwägungen des Gesetzgebers ergebe sich   zudem, dass die Bestimmung neu errichtete Wohnungen in den Blick genommen habe, die vor dem 1.10.2014 vermietet worden seien; insoweit sollte dem Vermieter jeweils für den Fall, dass ein Mieter bereits wenige Monate nach Einzug in den Neubau kündigt, die erforderliche Investitionssicherheit bewahrt werden, indem ihm weiterhin gestattet sein sollte, die bei der Erstvermietung erzielte Miete zu vereinbaren, auch wenn sie mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Der BGH erkennt nicht, dass § 556e Abs. 1 BGB in vergleichbarer Weise den Vermieter schützen will, der sich zwischenzeitlich zu einer Nutzungsänderung entschließt und die Wohnung danach wieder zu Wohnzwecken vermieten möchte. Abschließend hält das Gericht dieses Ergebnis auch im Lichte des grundrechtlichen Eigentumsschutzes (Art. 14 GG) für haltbar.

Praxishinweise

Die Frage, was als Vormiete anzusehen ist, ist damit geklärt. Alle denkbaren Versuche von Vermietern, auf vor dem letzten Mietverhältnis zurückliegende frühere Mietverhältnisse, die einen höheren Mietzins zugrunde gelegt haben, zurückzugreifen, sind somit künftig zum Scheitern verurteilt. Die Wohltat des § 556e Abs. 1 BGB, also eine mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegende Ausgangsmiete, kann der Vermieter nur erwarten, wenn er auf das letzte Mietverhältnis, das ein Wohnraummietverhältnis gewesen sein muss, abstellen kann. Zudem wird sie nur dem Vermieter zuteil, der ein identisches Mietobjekt vermietet. Sollte also zwischen dem Vormietverhältnis und der nachfolgenden Vermietung das Mietobjekt erheblich verändert werden (Verringerung oder Erweiterung des Raumprogramms), ist die Ausnahmevorschrift des § 556e Abs. 1 BGB nicht anwendbar. Umstritten ist wohl noch die Frage, ob bei einer Erweiterung der Mieträumlichkeiten dennoch auf die letzte Vormiete abgestellt werden kann, wenn sie höher war als die nach § 556d Abs. 1 BGB gesetzlich gekappte Ausgangsmiete. Die herrschende Meinung sieht i.Ü. eine Änderung gegenüber dem Vormietverhältnis auch dann, wenn im Vormietvertrag die Mietfläche falsch zu hoch angegeben war (Abweichung um mindestens 10 %). Wenn im neuen Mietvertrag nun die richtige Mietfläche vereinbart wird, handelt es sich nach wohl h.M. um eine Änderung des Mietobjekts, es liegt dann also keine heranzuziehende Vormiete vor. Unschädlich sollen bloße Änderungen der Mietstruktur sein, wobei insoweit vieles umstritten ist.

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