Bildung & Karriere

experimenta im Jahr 2022 – auf zu neuen Ufern

Trotz der Pandemie und damit verbunden vieler Schließtage war die experimenta auch im vergangenen Jahr ein beliebtes Ziel für viele Besucherinnen und Besucher. Die MS experimenta trug als schwimmende Außenstelle mit 10.571 Gästen an Bord zum Erfolg bei. Neuland betritt die experimenta 2022 unter anderem mit der internationalen Ecsite-Tagung und der selbst konzipierten Sonderausstellung „Geschmackssachen“.

Das zweite Jahr der Corona-Pandemie hat in der experimenta einiges auf den Kopf gestellt. So konnte das Haus nach 222 Schließtagen erst wieder am 22. Juni 2021 öffnen. In etwas mehr als einem halben Jahr begrüßte Deutschlands größtes Science Center trotzdem 84.174 Besucherinnen und Besucher. Ebenfalls ein großer Erfolg war die Tour der MS experimenta entlang von Mosel, Rhein, Main und Neckar: Insgesamt 10.571 Gäste konnten von Koblenz bis Stuttgart an Bord des Schiffs empfangen werden. Damit war die schwimmende Wissenswelt 2021 an allen 17 Stationen ausgebucht.

Bundeswettbewerb Jugend forscht erstmals online
„Eine neue Erfahrung und eine echte Herausforderung war die digitale Ausrichtung des Bundeswettbewerbs Jugend forscht 2021. Ursprünglich als Präsenzveranstaltung in Heilbronn geplant, mussten wir viele Dinge vollkommen neu denken“, fasst experimenta-Geschäftsführer Dr. Wolfgang Hansch die aufregenden Tage im Mai 2021 zusammen. Für die Aufzeichnungen aus dem Veranstaltungszentrum Harmonie in Heilbronn wurden allein 29 Tonnen Material für den Bühnenaufbau bewegt, 30 Computer und 28 Monitore aufgebaut sowie zwölf Kilometer Kabel verlegt. „Auch in dieser nervenaufreibenden Zeit hat das experimenta-Team zuverlässig und mit viel Herz für die Sache agiert. Viele Kolleginnen und Kollegen unterstützten als Jungforscherpatinnen und -paten die teilnehmenden Jugendlichen, arbeiteten am Info-Counter, in der IT oder der Veranstaltungsorganisation. Damit leisteten sie einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des Bundeswettbewerbs“, so Hansch weiter. Exemplarisch für die Komplexität der Veranstaltung stehen 50 Live-Schaltungen mit jeweils bis zu vier Gästen bei der abschließenden Siegerehrung und 50 Gigabyte produzierter Videocontent. Der Bundeswettbewerb Jugend forscht wird 2024 nach Heilbronn zurückkehren. Dann ist die experimenta wieder Ausrichter: hoffentlich nicht mehr digital, sondern ganz real.

Mit den beiden Sonderausstellungen „Ozeane“ und „Darm mit Charme“ brachte die experimenta im letzten Jahr internationales Flair nach Heilbronn. Die erstmals in Deutschland gezeigte Sonderausstellung „Ozeane“ aus dem American Museum of Natural History in New York lockte im Zeitraum 26. Juni bis 7. November 2021 trotz der stark eingeschränkten Zutrittsmöglichkeiten über 50.000 Besucherinnen und Besucher in die experimenta. Dort konnten sie in eine noch weitgehend unbekannte Welt eintauchen, faszinierende Unterwasserlandschaften kennenlernen und auf Lebewesen treffen, die den meisten Menschen in freier Natur wohl nie begegnen werden. Seit dem 4. Dezember 2021 läuft die auf dem gleichnamigen Bestseller von Giulia und Jill Enders basierende Sonderausstellung „Darm mit Charme“ aus Paris in Heilbronn. Auch sie ist zum ersten Mal in Deutschland zu sehen. Noch bis zum 1. Mai lädt die Sonderausstellung unverblümt und mit viel Humor zu einem kuriosen Ausflug durch den menschlichen Körper ein.

Beim zweiten Science & Theatre Festival im November 2021 standen wieder der Mensch und sein Verhältnis zu Forschung und Fortschritt im Mittelpunkt. Eröffnet wurde die vom Theater Heilbronn und der experimenta ausgerichtete, fünftägige Kulturveranstaltung mit der Uraufführung des Dramas „Schwarze Schwäne“ im Science Dome. Es ist das Gewinnerstück des Autorenwettbewerbs der ersten Festivalauflage von 2019.

Aufbruch 2022: experimenta engagiert sich vielfältig
Kinder und Jugendliche gehören zu den Hauptverlierern der Pandemie: Ausgefallene Unterrichtsstunden, kaum soziale Kontakte und Ungewissheit über die weitere Entwicklung sorgten für erschwerte Bedingungen. So konnte ein gemeinsames Lernen und Erleben kaum stattfinden, obwohl es für den persönlichen Entwicklungsprozess so wichtig ist. Deshalb hat die experimenta speziell für Kindertagesstätten und Schulen ein vielfältiges Programm aufgelegt. Neu ist das Format „Show to go“, das Theater und Wissenschaft verknüpft: Ein Edutainer der experimenta reist mit seiner Showtheke in Form des experimenta-Gebäudes in Kindergärten und experimentiert zusammen mit den Kindern. Diese erfahren die Freude am Ausprobieren und erkennen im Laufe des Stückes, wie Forschung funktioniert. Die erste Show „König Schall und seine Welt“ passt inhaltlich zum Laborkurs „Lass Töne klingen“, sodass das Vor-Ort-Erlebnis im Kindergarten perfekt mit einem Besuch im Science Center verknüpft werden kann.

Damit Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie Versäumtes schnell wiederaufarbeiten können, hat die Bundesregierung das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ gestartet. Über das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) werden Gelder für Förderangebote zur Verfügung gestellt, damit Schülerinnen und Schüler Lernlücken rasch schließen können. Als offiziell anerkannter außerschulischer Lernort und außerschulisches Forschungszentrum ist die experimenta mit über 70 auf die Lehrpläne abgestimmten Laborkursen der ideale Ort, um auch im Rahmen des Aktionsprogramms ein passendes Format zu bieten.

Mit neuen Schulpaketen verknüpft die experimenta ihre vielfältigen Angebote: So ergänzen sich beispielsweise beim Paket „Nachhaltigkeit“ der Besuch von Ausstellung und Forum perfekt mit den praktischen Erfahrungen in den Laborkursen und dem Fulldome-Erlebnis bei einer Science Dome-Show. Außergewöhnliches steht am 9. März für eine siebte und achte Schulklasse sowie die Raumfahrt-AG des Eduard-Mörike-Gymnasiums in Neuenstadt auf dem Programm: Über den Ideenwettbewerb „Beschützer der Erde“ der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR  erhalten sie beim Live-Talk mit ESA-Astronaut Matthias Maurer einen einmaligen Einblick in die internationale Raumstation ISS. Aus dem Science Dome heraus können sie Maurer, der als 600. Mensch im Weltall unterwegs ist, über das Leben an Bord der ISS und seine Forschungsprojekte befragen.

Neue Angebote für neue Zielgruppen
Ein wichtiges Anliegen der experimenta ist es, Naturwissenschaft und Technik trotz möglicher Sprachbarrieren erfahrbar zu machen. So hatten rund 70 Flüchtlinge begleitet von zwei städtischen Sozialarbeiterinnen im Oktober 2021 eine erste persönliche Entdeckungsreise in der experimenta und konnten umfangreiche Erfahrungen sammeln. Der Aktionstag fand eine so positive Resonanz, dass er 2022 wiederholt wird.

Welche Rolle die Astronomie im Islam spielt und welche Bedeutung der Mond für den Fastenmonat Ramadan hat, erfahren Besucherinnen und Besucher in der neuen Planetariumsshow „Sternenhimmel über Heilbronn im Ramadan“. Sie läuft im April während des muslimischen Fastenmonats. Die experimenta möchte damit neue Zielgruppen ansprechen und über Kultur- und Religionsgrenzen hinweg Akzeptanz und Verständnis schaffen.

Grenzen werden auch in der Sternwarte überwunden. Weil die Sternbeobachtung von gutem Wetter abhängig ist, bietet die Sternwarte ab sofort ein Schlechtwetterprogramm. Im Foyer des fünften Stocks ist seit kurzem ein rund 45 Kilogramm schweres Stück eines Meteoriten zu bewundern. Es stammt ursprünglich aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter und ist nach dem Eintritt in die Erdatmosphäre aufgeschmolzen und in Argentinien auf die Erde gestürzt. Ebenfalls neu im Angebot ist ein immersiver Globus, der verschiedene Planeten abbildet. Durch Antippen nimmt die Kugel das Aussehen des ausgewählten Himmelskörpers an und gibt viel Wissenswertes preis. Spielerisch können die Gäste durch das Planetensystem fliegen und sich beispielsweise alle Monde von Saturn anschauen. Einige Himmelsobjekte können auch über das Indoor-Teleskop bewundert werden.

Etwas auf die Ohren gibt es ab Frühjahr mit dem neuen Podcast „Fragwürdig – der Podcast mit Antworten“, mit dem die experimenta aktuelle Forschung vorstellt. In den ersten drei Produktionen, die sich mit den Themen Darm, Dunkle Materie und Forschungsreisen in Polarregionen beschäftigen, kommen unter anderem die Autorin des Bestsellers „Darm mit Charme“, Giulia Enders, und der Polarforscher Arved Fuchs zu Wort. Spannende naturwissenschaftliche Phänomene gibt es auch in kurzen Videofilmen zu bewundern: Seit Sommer 2021 gewährt die experimenta auf dem vor allem bei jungen Leuten beliebten Videoportal TikTok Einblicke in das Haus, den Maker Space und zeigt Experimente zum Selbermachen. Bereits mehr als 10.000 Menschen folgen dem Science Center dort und das im Januar 2022 eingestellte Video zum Stirlingmotor wurde innerhalb weniger Tage über 500.000 Mal angeklickt.

Film ab im Science Dome
Wie Ingenieurskunst die Welt verändert, zeigt der Film „Dream Big“, der im Science Dome erstmals in deutscher Umsetzung zu sehen ist. Der Dokumentarfilm nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch die größten Wunder der Technik, die gleichzeitig eine Geschichte von menschlichem Mut, Mitgefühl und grenzenlosem Ideenreichtum ist.

Mit „3-2-1 Lift-Off!“ kommt ein Animationsfilm für Kinder auf die Kuppel des Science Dome. Hauptfigur ist der Hamster Elon, der sich für wissenschaftliche Experimente begeistert, in der Praxis aber oft scheitert und deshalb von seiner Umwelt nicht ernst genommen wird. Doch eines Tages findet er einen beschädigten Roboter in seinem Garten. Elon repariert den Roboter und findet heraus, dass er von einem Raumschiff gefallen ist, das auf dem Weg zum Mars war. Und so beginnt ein großes Abenteuer, in dem Elon seinen Mut und Verstand beweisen kann.

In Vorbereitung ist die Fulldome-Show „Fractals“. Sie beschreibt die Beziehungen zwischen fraktalen Gebilden in der Natur und den unendlichen Mustern mathematischer Fraktale. Den eindrucksvollen Rahmen für die sowohl lehrreiche als auch unterhaltsame Produktion bildet die 726 Quadratmeter große Kuppel des Science Dome.

Raum für Talente
In Zusammenspiel mit dem Landesverband für naturwissenschaftlich-technische Jugendbildung in Baden-Württemberg richtet die experimenta auch dieses Jahr wieder den Landeswettbewerb Jugend forscht aus. Die Finalrunde findet am 1. und 2. April 2022 als reine Digitalveranstaltung statt. Das Interesse an der 57. Wettbewerbsrunde von Jugend forscht ist groß: Trotz Pandemielage und vielerorts eingeschränkter Bedingungen in Schulen, Schülerforschungszentren und Ausbildungsbetrieben haben sich in Baden-Württemberg 1072 Kinder und Jugendliche mit insgesamt 573 Projekten für den renommierten Wettbewerb angemeldet. Über die im Februar 2022 stattfindenden elf Regionalwettbewerbe qualifizieren sich die besten unter ihnen für den Landeswettbewerb Jugend forscht.

Ideale Voraussetzungen für ihre Forschungsprojekte finden Jugendliche im Schülerforschungszentrum der experimenta vor: Acht Labore und eine Ausstattung, die kaum Wünsche offenlässt, stehen auch über einen längeren Zeitraum zur Verfügung und lassen Ideen reifen. Tatkräftige Unterstützung gibt es von Kursleiterinnen und Kursleitern der experimenta, abgeordneten Lehrkräften und Studierenden. Aktuell forschen in den Laboren 63 Schülerinnen und Schüler an 29 Projekten. Neun Projekte nehmen dieses Jahr am Wettbewerb Jugend forscht teil. Die Bandbreite der Themen reicht dabei vom „Forklift Positioning System“, bei dem es um den optimalen Einsatz von Gabelstaplern geht, über das Projekt „Einfluss von Geräuschen auf die Konzentration“ bis hin zu einem „System zur Überwachung der Luftqualität im Innenraum“. 

Die experimenta zeigt Geschmack

Ab Mitte Mai dreht sich alles um Fragen des Geschmacks – in der experimenta und in der Forschung. Dann präsentiert die experimenta die selbst entwickelte Sonderausstellung mit dem Titel „Geschmackssachen“, bei der die Besucherinnen und Besucher ihre eigenen Vorlieben ergründen können. Wie wählen Menschen eine Partnerin oder einen Partner aus? Warum finden sie manche Kleidungsstücke besonders schön? Wie suchen sie ihre Wohnungseinrichtung aus?

Die Sonderausstellung ist im Stil einer bunten Shoppingmall gestaltet, bei der die Gäste in „Geschäften“ zu den Themen Musik, Essen, Liebe, Mode und Wohnen auf Entdeckungstour gehen. An Mitmachstationen erstellen sie ihr eigenes Geschmacksprofil, erfahren Neues über sich selbst und können sogar beim Vergleich mit anderen Profilen herausfinden, wie einzigartig der eigene Geschmack wirklich ist. Wer möchte, kann seine Geschmacksentscheidungen und das daraus resultierende Profil der Forschung zur Verfügung stellen.

Die experimenta arbeitet hier mit Forschenden der Hochschule Heilbronn, der Bergischen Universität Wuppertal und insbesondere dem Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik zusammen. Ziel ist es, anhand der anonymen Besucherdaten wissenschaftlich mehr über das Phänomen Geschmack herauszufinden. Dabei kann jede und jeder sich beteiligen, nicht nur über die Sonderausstellung, sondern auch über eine eigens entwickelte App. Diese basiert auf der Ausstellung, kann aber auch unabhängig von ihr genutzt werden. In der App erkunden Nutzerinnen und Nutzer auf spielerische Art ihren persönlichen Geschmack und erfahren mehr über die Vorlieben anderer Menschen. Die so gewonnenen – anonymisierten – Daten wiederum fließen in das Forschungsprojekt ein.

Die Welt zu Gast
In der ersten Juniwoche wird Heilbronn zum internationalen Zentrum der Wissenschaftskommunikation. Die experimenta ist vom 2. bis 4. Juni Gastgeber der Ecsite-Tagung, einer der größten Konferenzen europäischer Science Center und Museen. Rund 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt werden in der Stadt am Neckar erwartet, um aktuelle Fragestellungen zu erörtern. Im Fokus stehen dieses Jahr die Themen Wissenschaftskommunikation in Zeiten von Fake News und Verschwörungstheorien, Inklusion und Chancengleichheit sowie die Herausforderungen durch die Klimakrise.

Viele Programmpunkte der Ecsite 2022 werden an einem einzigartigen Ort stattfinden: einer eigens errichteten Zeltstadt auf dem Festgelände Theresienwiese. Das Camp bietet nicht nur genügend Platz für die über 70 Vorträge, Diskussionsrunden und Workshops, sondern auch Raum für den persönlichen Austausch.

Eine Besonderheit werden die Wild Spaces sein – ein interaktives Wissensfestival für alle. Hier können Kinder, Jugendliche und die breite Öffentlichkeit Antworten auf die Frage entwickeln, wie wir in Zukunft leben und lernen wollen: Wie kann jeder einzelne zur Klimawende beitragen? Was ist nachhaltiger Konsum? Wie funktioniert Bürgerwissenschaft? Das finden Besucherinnen und Besucher in den Wild Spaces heraus. Viel Spaß versprechen zahlreiche Workshops, in denen man unter anderem Solarventilatoren bauen, Samenkugeln herstellen oder mit Papier musizieren kann. Das Festival dient als Pilotprojekt für ähnliche Vorhaben der experimenta in der Zukunft.

Spaß verspricht auch der Besuch auf der MS experimenta. Nach dem Auftakt bei der Ecsite-Tagung in Heilbronn und beim Wissenschaftsfestival in Stuttgart führt die Tour das Wissenschaftsschiff vom 10. Juli bis 5. November in 17 süddeutsche Städte entlang von Main, Main-Donau-Kanal und Donau.

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