Leon Engler gewinnt mit »Wo die Götter kauern wie Hunde« den internationalen Dramenwettbewerb »Science & Theatre« 2025
Beide Stücke wurden aus 22 Einsendungen von bisher noch nicht uraufgeführten Stücken ausgewählt. Eine Jury mit Vertretern aus Kunst und Wissenschaft hat die anonymisierten Texte gelesen und in einem Abstimmungsprozess die zwei besten Stücke ausgewählt. Diese wurden zum Abschluss des Festivals »Science & Theatre« am 23. November 2025 in szenischen Lesungen an besonderen Orten im Theater vorgestellt. Hier hatte das Publikum die Möglichkeit, seinen Favoriten zu küren. Auch der Publikumspreis geht an Leon Englers »Wo die Götter kauern wie Hunde«. Der Dramenwettbewerb wird von der Dieter-Schwarz-Stiftung unterstützt.
Mitglieder der Jury waren Festivalkuratorin Dr. Mirjam Meuser, Chefdramaturgin des Theaters Heilbronn; Prof. Dr. Alexandra Reichenbach, Professorin für Neuroinformatics und Direktorin des Zentrums für Maschinelles Lernen an der Hochschule Heilbronn; Axel Vornam, Intendant des Theaters Heilbronn, Dr. Wolfgang Hansch, ehemaliger Geschäftsführer der experimenta und Kenan Broman, Leiter des Science Domes des experimenta.
Hintergrund des Dramenwettbewerbs
Das Festival »Science & Theatre« wurde 2019 von Axel Vornam und Dr. Wolfgang Hansch ins Leben gerufen und findet seither alle zwei Jahre statt. Fester Bestandteil des Festivals ist auch von Anfang an der Dramenwettbewerb für noch nicht ur- oder in Deutschland erstaufgeführte Theatertexte, die sich einem gesellschaftlichen Diskurs im Kontext der modernen Wissenschaften stellen. Bisherige Gewinner waren Christina Kettering mit »Schwarze Schwäne« 2019, Mario Wurmitzer mit »Veredelung der Herzen« 2021 und »Die letzte Nacht der Welt« von Laurent Gaudé 2023, mit dessen deutschsprachiger Erstaufführung das diesjährige Festival beginnt.
Weiterführende Infos zu den beiden Stücken
Leon Englers Stück »Wo die Götter kauern wie Hunde« ist eine absurde, tragikomische Parabel über Fortschrittswahn, Hybris und Unsterblichkeitssehnsucht. Im Mittelpunkt steht die Astrophysikerin und Molekularbiologin Dr. Dr. Sophia Maillart, die am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Genf das Weltall und genetische Telomere erforscht, um das Universum zu retten und den Tod zu überwinden. Ein banaler Schlüsseldienstbesuch führt sie zur exzentrischen Petra, einer ehemaligen Technikethikerin, die in Sophias Schlüssel den Zugang zu einem mythischen Garten mit dem »Kraut der Unsterblichkeit« vermutet. Gemeinsam mit der Witwe Helga, deren Tochter Arachne und der Detektivin Kassandra spinnt sie ein groteskes Komplott, um an dieses Kraut heranzukommen.
Leon Engler verbindet antike Motive mit moderner Wissenschaftskritik, Alltagsbanalitäten und Witz. Sein Stück ist ein philosophisches Lustspiel über Größenwahn, technische Überforderung und die Sehnsucht nach Sinn in einer entzauberten Welt. Die Dialoge sind pointiert, die Figuren grotesk, der Ton schwankt zwischen Farce und Tragödie. »Wo die Götter kauern wie Hunde« ist ein rasantes, intellektuell funkelndes Schauspiel über Menschen, die den Himmel erobern wollen – und dabei auf der Erde stolpern.
Auszug aus der Laudation von Dr. Mirjam Meuser:
»Leon Engler ist hier ein großer, böser Spaß gelungen, der allerdings bei aller vermeintlichen Absurdität, die er im Laufe des Stücks entwickelt, nie den tieferen Sinn und die Hintergründigkeit verliert, die ihn grundieren. In Englers verrückter Weltuntergangsphantasie lebt die Menschheit trotz Hochtechnologisierung und Hyperkonnektivität immer noch im mythischen Raum, wird von archaischen Emotionen, Leidenschaften und Konflikten heimgesucht. […]
Das große Thema des Stücks – die Jahrtausende überdauernde obsessive Suche des Menschen nach der Unsterblichkeit – ruft dabei eines der wichtigsten Motive der griechischen Tragödie auf, die menschliche Hybris, die die Strafe der Götter provoziert. […]
Die mythologischen Referenzen in Englers Stück sind zahllos. Sie gesellen sich zu einer sich immer wieder selbst überholenden Handlung, die in ihrer Verschmelzung von Realität und Fiktion dem magischen Realismus stark verpflichtet ist. In seiner Struktur testet das Stück nicht zuletzt die physischen Grenzen des Theaters – eine spannende Herausforderung für die Umsetzung auf der Bühne. Und, auch das soll nicht unerwähnt bleiben: Ein mythologisches Stück mit rein weiblichem Personal, darauf hat das Theater gewartet! […]
Und wie absurd scheint die ungebrochene Obsession des Menschen mit dem ewigen Leben – dessen diesbezügliche Hoffnungen sich heute auf Technologien wie die Künstliche Intelligenz und die sich stetig verfeinernde Medizin- und Gentechnik richten –, angesichts eines Lebensraums, der durch die ökologische Katastrophe und die Gefahr eines nuklearen Armageddon zunehmend von Zerstörung bedroht ist. Hier macht Leon Englers Stück seinen Punkt. […]
Als groteske Farce, die Friedrich Dürrenmatts bekanntes Urteil, dass unserer von Verantwortungslosigkeit geprägten, ins Chaos driftenden Welt »nur noch die Komödie« beikäme, in kaum zu überbietender Aktualität auf die Spitze treibt, hat Leon Englers »Wo die Götter kauern wie Hunde« die Jury vollkommen überzeugt. «
Leon Engler (geb. 1989 in Osterzell) ist Psychologe, Autor und Dozent. Er studierte in Wien, Paris und Berlin, erhielt 2022 den 3sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, schrieb preisgekrönte Stücke und Hörspiele und spricht im Podcast »Die Wahrheit irgendwo hier drinnen« über Psychologie. Im August 2025 erschien sein Debütroman »Botanik des Wahnsinns« bei Dumont.
Igor Kroitzschs Schauspiel »Grenzen der Vernunft« ist ein philosophisch-satirisches Kammerspiel über die moralische Verantwortung der Wissenschaft. Am 18. April 1955, dem Todestag von Albert Einstein, phantasiert dieser im Princeton Hospital ein letztes Treffen mit seinen beiden bedeutendsten Kollegen herbei: dem Mathematiker Kurt Gödel und dem Physiker und Erbauer der Atombombe Robert Oppenheimer. Im Fieberwahn ringt Einstein mit seiner Schuld an Bau und Einsatz der Atombombe. Gödel versucht ihn zu trösten. Er sieht im Denken selbst eine Falle: Jede Erkenntnis trage den Keim der Katastrophe in sich, da der Mensch unfähig sei, moralisch mit seinen Erfindungen umzugehen. Was er erschaffen könne, baue er auch. Gödel flüchtet sich in einen mathematischen Gottesbeweis, um die Wissenschaftler dank Existenz einer übergeordneten Instanz von Schuldgefühlen zu befreien. Robert Oppenheimer dagegen sieht Wissenschaftler wie sich selbst als Götter und bereut nur, die Bombe nicht so rechtzeitig fertig bekommen zu haben, dass man sie auf Deutschland hätte werfen können. Als zynischer Pragmatiker ist er überzeugt, dass jeder technische Fortschritt letztlich zu einer effektiveren Kriegsführung beigetragen habe. Schrankenlose Forschung, nur um der Erkenntnis willen, das ist sein Credo.
Kroitzschs Stück ist ein dichter, sprachlich virtuoser Diskurs über das zerstörerische Potential eines wissenschaftlichen Fortschritts, dem die moralischen Leitplanken fehlen. Es formt reale Erkenntnisse und Dispute der drei Wissenschaftler zu einem satirischen Schlagabtausch und zeichnet dabei ein bitteres Bild der Gegenwart, in der Wissenschaft ohne Ethik zur höchsten Form der Unvernunft und zur Gefahr wird. Intelligent, kompromisslos und in einer Ära des erneuten Wettrüstens absolut auf der Höhe der Zeit.
Auszug aus der Laudatio von Prof. Dr. Alexandra Reichenbach: »Kroitzsch formt aus wissenschaftsethischen Streitpunkten vor realhistorischer Kulisse ein bitter-komisches Panorama des menschlichen Erkenntnisdrangs – und seiner Abgründe. Sein Stück ist ein dichter, kompromissloser Diskurs über das Potenzial der Wissenschaft und ihrer Wechselwirkung mit der Gesellschaft. Und es zeichnet damit, auf eigenwillige und klarsichtige Weise, ein Bild unserer Gegenwart: einer Welt, die zwischen der Hoffnung auf und Angst vor technischen Errungenschaften wie Künstlicher Intelligenz und Quantencomputing hin- und hergerissen ist, und deren Anwendung sie vor gesellschaftlichen Problemen wie Klimawandel und sich immer weiter zuspitzenden politischen Konflikten sehen muss. Die Frage nach Verantwortung ist aktuell dringender denn je und das Stück macht deutlich, dass Theater mehr sein kann als Unterhaltung: nämlich ein moralischer Resonanzraum, ein Ort, an dem wir reflektieren.«
Igor Kroitzsch, geboren 1960 in Potsdam, ist Schriftsteller und Dramatiker und lebt in Berlin und Goldbeck. Er hat zahlreiche Theaterstücke, Libretti und Hörspiele verfasst, außerdem Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien. 1994 erhielt er den Christian-Dietrich-Grabbe-Preis für sein Stück »Das Drama«, 2001 den 1. Preis beim Autorenwettbewerb am Theater an der Rott sowie zahlreiche Stipendien und Förderungen.
Hintergrund des Dramenwettbewerbs
Das Festival »Science & Theatre« wurde 2019 von Axel Vornam und Dr. Wolfgang Hansch ins Leben gerufen und findet seither alle zwei Jahre statt. Fester Bestandteil des Festivals ist auch von Anfang an der Dramenwettbewerb für noch nicht ur- oder in Deutschland erstaufgeführte Theatertexte, die sich einem gesellschaftlichen Diskurs im Kontext der modernen Wissenschaften stellen. Bisherige Gewinner waren Christina Kettering mit »Schwarze Schwäne« 2019, Mario Wurmitzer mit »Veredelung der Herzen« 2021 und »Die letzte Nacht der Welt« von Laurent Gaudé 2023, mit dessen deutschsprachiger Erstaufführung das diesjährige Festival beginnt.
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