Familie & Kind

Afrika vor Corona-Pandemie: „Die Virustoten werden unsere kleinste Sorge sein“

Mangelernährung, marode Gesundheitssysteme, schwache Wirtschaften – nur wenige afrikanische Länder sind ausreichend auf das Coronavirus vorbereitet, die meisten brauchen dringend Unterstützung. Die Angst vor einem unkontrollierten Ausbruch von Covid-19 ist deshalb groß. Derzeit gibt es nur vergleichsweise wenige bestätigte Fälle des Coronavirus in Afrika. Doch täglich kommen Neuinfektionen hinzu: „Eine Pandemie könnte in afrikanischen Ländern zum Tod von Millionen Menschen führen. Und dabei dürften die Virustoten noch unsere kleinste Sorge sein“, warnt Senait Bayessa, Regionalleiterin der SOS-Kinderdörfer in Süd- und Ostafrika. 

  • Hungersnot

„Kommt es zu weiteren Lieferengpässen, sind Hungersnöte auf unserem Kontinent die größte Bedrohung“, sagt Bayessa. Denn ohne Importe würde es schnell zu Versorgungsausfällen kommen. Und dann hätten arme Familien keine Möglichkeit, sich mit Nahrungsmitteln und Lebenswichtigem zu versorgen. Aufstände und Chaos könnten folgen.

  • Zusammenbruch des Gesundheitssystems

Hinzu käme laut Bayessa, dass die medizinischen Gegebenheiten und die Gesundheitssysteme vieler afrikanischer Länder nicht zu vergleichen seien mit denen in Europa und bereits jetzt nicht ausreichten, um die Menschen zu versorgen.

„Afrika wird die Pandemie extrem schwer treffen“, warnt Bayessa. Denn selbst besser entwickelte afrikanische Staaten hätten kein ausreichendes Auffangnetz für die humanitären Konsequenzen des Coronavirus. So habe beispielsweise Südafrika zwar eines der besten Gesundheitssysteme Afrikas, aber dennoch lediglich 1.000 Betten auf Intensivstationen für 56 Millionen Einwohner. In Malawi seien es sogar nur 25 Betten für 17 Millionen Menschen – und einige afrikanische Staaten verfügen über keinerlei Intensivstationen.

SOS-Ärzte schlagen Alarm: „Es fehlt die medizinische Minimalausstattung, um zusätzliche Patienten zu behandeln, und es mangelt an Isolier- und Intensivstationen sowie an Spezialisten wie Intensivärzten”, sagt Deqa Dimbil, Ärztin in der Mutter-Kind-Klinik der SOS-Kinderdörfer in Mogadischu, Somalia.

  • Mangelernährung und Krankheit

In armen Staaten wie Somalia seien laut Dr. Dimbil die Immunsysteme der Menschen durch Mangelernährung sowie Krankheiten wie HIV, Cholera oder Malaria ohnehin schon geschwächt. „Die Risikogruppe könnte hier demnach viel größer sein als in anderen Ländern. Wir müssen uns wohl darauf vorbereiten, dass Kinder Elternteile verlieren – und Eltern ihre Kinder“, befürchtet Dimbil. Denn unterernährte Kinder seien besonders anfällig für Viruserkrankungen und daher nicht vor den Symptomen von Covid-19 sicher.

Weitere Gründe, warum Afrika so anfällig für Covid-19 ist:

  • Die schlechten sanitären und hygienischen Bedingungen sowie teilweise wenig vorhandenes Wasser begünstigen die Ausbreitung des Virus.
  • Die meisten afrikanischen Regierungen haben nicht die nötigen Mittel, um ausreichende Präventionsmaßnahmen wie Mundschutz, Handschuhe und Desinfektionsmittel zur Verfügung zu stellen. Corona-Tests werden auch nicht in großem Umfang möglich sein.
  • Eine weitere Sorge: Zahlreiche Kinder, die bei ihren Großeltern aufwachsen, weil ihre Eltern an AIDS starben, könnten auch diese verlieren, da Covid-19 vor allem für ältere Menschen eine lebensbedrohliche Gefahr darstellt.
  • Millionen Menschen sind bereits jetzt – ohne Corona-Pandemie – auf humanitäre Hilfe angewiesen. Einige der Staaten aber, die sonst Afrika finanziell unterstützen, stoppen Gelder, weil sie Personen im eigenen Land durch die Corona-Krise helfen müssen. „Arme Familien, die morgens nicht wissen, ob sie tagsüber genug zu essen haben, haben dann gar keine Chance mehr. Sie haben weder Geld, noch Kenntnisse, um sich zu schützen, noch Zugang zu medizinischer Versorgung”, erklärt Bayessa.

Die SOS-Kinderdörfer sind seit Jahrzehnten in Afrika aktiv. In 47 Ländern unterstützt die Hilfsorganisation Kindern und Familien in Not. In den insgesamt 147 afrikanischen SOS-Kinderdörfern wurden bereits eine Reihe von Präventionsmaßnahmen umgesetzt: Räume für eine gegebenenfalls notwendige soziale Isolation wurden eingerichtet, Kinder und SOS-Mitarbeiter lernten richtiges Händewaschen und alle SOS-Kinderdorf-Bewohner bleiben vorsorglich zu Hause, um eine Verbreitung des Virus zu stoppen. Desinfektionsmittel, Masken und Handschuhe wurden zudem in den SOS-Programmen verteilt.

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