Familie & Kind

Vereinbarkeit von Familie und Beruf Grund für höhere Geburtenrate in Frankreich

Frankreich hatte in den 1990er und 2000er Jahren eine um etwa 50 Prozent höhere Geburtenrate als Deutschland. Gleichzeitig war in Frankreich ein höherer Anteil an Frauen in Vollzeit erwerbstätig. Während Frankreich viel Geld in Kinderbetreuung investierte, mussten sich Frauen in Deutschland oft zwischen Kind und Karriere entscheiden. Denn gerade Frauen mit Universitätsabschluss und hohem Einkommen bekamen in Deutschland weniger Kinder und schoben die Familienplanung oft auf. Frauen in Frankreich bekamen mehr Kinder und fingen zwischen den Geburten häufiger wieder an zu arbeiten. Das zeigt eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim in Zusammenarbeit mit der Copenhagen Business School und der Universität Straßburg. „Die höhere Geburtenrate in Frankreich liegt nicht an speziellen Vorlieben der Französinnen, sondern an wirtschaftlichen Erwägungen“, sagt Cäcilia Lipowski, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“ und Mitautorin der Studie. „Das besser ausgebaute Kinderbetreuungsangebot in Frankreich vereinfachte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mütter in Frankreich mussten weniger berufliche Nachteile in Kauf nehmen als in Deutschland.“ Die Studie nutzt erstmalig vergleichbare detaillierte Informationen zu den Erwerbsverläufen und Geburtsregistern von über 270.000 Frauen aus Deutschland und Frankreich. Diese umfangreiche Datenlage ermöglicht es, neue Maßstäbe für länderübergreifende quantitative Analysen zu setzen.

Mütter in Frankreich fingen schneller wieder an zu arbeiten

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betrachteten Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 1994 und 2007. Frauen in Frankreich blieben im Schnitt nicht nur seltener kinderlos, sondern hatten auch häufiger große Familien mit drei oder mehr Kindern. Auffällig ist der vergleichsweise starke Rückgang an Müttern mit zwei Kindern in Deutschland – von 36.1 Prozent in den ältesten Geburtsjahrgängen zu 14.5 Prozent in den jüngsten Geburtsjahrgängen. Der Anteil der Frauen mit zwei Kindern blieb in Frankreich bei über 30 Prozent hingegen fast gleich.  Zum Zeitpunkt der Geburt ihres ersten Kindes war fast die Hälfte aller Frauen in Deutschland (47 Prozent) und Frankreich (45 Prozent) nicht berufstätig. In Deutschland stieg dieser Wert beim zweiten und dritten Kind auf 65 Prozent bzw. 74 Prozent an, in Frankreich dagegen nur auf 48 Prozent bzw. 58 Prozent. „Französischen Frauen fiel es leichter, nach der Geburt eines Kindes am Arbeitsmarkt aktiv zu bleiben“, sagt ZEW-Forschungsprofessor Prof.  Dr.  Ralf Wilke, Lehrstuhlinhaber an der Copenhagen Business School und ebenfalls Co-Autor der Studie. „Mütter in Frankreich fangen zwischen den Geburten öfter wieder an zu arbeiten. Im Gegensatz dazu ist es in Deutschland üblicher, während der Elternzeit noch ein weiteres Kind zu bekommen.“

Betreuungsmöglichkeiten waren in Deutschland weniger ausgebaut

Je schlechter Beruf und Familie miteinander vereinbar sind, desto mehr beruflichen Verzicht bringt Mutterschaft mit sich. „Diese so genannten Opportunitätskosten bestehen aus einem Verdienstausfall, aus der Unterbrechung und potenziellen Vereitelung der Karriere und aus dem Verlust beruflich relevanter Kenntnisse und Fertigkeiten. Solche wirtschaftlichen Erwägungen sind besonders relevant für gut ausgebildete Frauen, und solche mit hohen Einkommen“, sagt Cäcilia Lipowski. „Aufgrund der schlechteren Kinderbetreuungssituation wogen diese Kosten in Deutschland besonders schwer. Der Einfluss der Opportunitätskosten auf die Geburtenrate war hierzulande etwa doppelt so stark wie in Frankreich.“ Während der französische Staat es Müttern ermöglichte, trotz Kind im Arbeitsmarkt zu verbleiben, herrschte in Deutschland noch das Ideal des männlichen Hauptverdieners vor. Viele Mütter mussten ihre Karriere unterbrechen, weil keine ausreichende Betreuung für ihr Kind vorhanden war. Ab den Neunzigerjahren wurden die Betreuungsplätze für Kinder zwischen drei und sechs Jahren schrittweise ausgebaut. Allerdings waren die Kita-Öffnungszeiten nur schwer mit dem Berufsalltag vereinbar. Im Gegensatz zu Frankreich gab es kaum Betreuungsmöglichkeiten für Unter-Dreijährige. Insgesamt gab Frankreich im beobachteten Zeitraum zwischen 1,8- und 3,6-mal so viel Geld für Kinderbetreuung aus wie Deutschland.

Frauen mit Universitätsabschluss schoben die Familienplanung oft auf

In beiden Ländern, aber vor allem in Deutschland, nutzten Mütter Teilzeitstellen, um weiterhin berufstätig sein zu können. Frauen, die in Teilzeit arbeiteten, bekamen tendenziell eher Kinder im Vergleich zu Frauen, die in Vollzeit oder gar nicht arbeiten. „Der negative Effekt von Vollzeitarbeit ist in Deutschland mehr als doppelt so stark wie in Frankreich. Die deutsche Betreuungssituation scheint schwerer mit einem Vollzeitjob kompatibel gewesen zu sein,“ sagt Ralf Wilke. „In Deutschland vermieden Frauen mit Universitätsabschluss eher eine Schwangerschaft während ihrer ersten Jahre im Job. Und sie schoben die Familienplanung öfter auf als in Frankreich. Das spricht auch dafür, dass es in Deutschland schwieriger ist, den Nachwuchs mit der Karriere zu vereinbaren.“ Ein verbessertes Kinderbetreuungsangebot hätte demnach zur Folge, dass Frauen sich nicht zwischen Kindern und Beruf entscheiden müssten. Wie das Beispiel Frankreich vormacht, kann eine entsprechende Familienpolitik sowohl die Geburtenraten steigern als auch den Anteil der in Vollzeit berufstätigen Frauen erhöhen.  Datengrundlage: Die Autorinnen und Autoren betrachten Informationen über Mutterschaft und Erwerbstätigkeit von 173.843 Frauen aus Deutschland und 102.574 Frauen aus Frankreich. Die Studie beruht auf den Biografiedaten ausgewählter Sozialversicherungsträger in Deutschland (BASiD) sowie auf dem französischen Datensatz DADS-EDP 2010. Download der Studie

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW rund 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

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