Gesundheit & Medizin

Antibiotika-Ausschreibung: AOK fordert Reform der Vergabepraxis

Versorgungssicherheit und Umweltschutz waren zwei Gründe, warum die AOK-Gemeinschaft im Herbst vergangenen Jahres fünf Antibiotika-Wirkstoffe erstmals gesondert ausgeschrieben hatte. Nicht nur der Preis sollte eine Rolle spielen, sondern auch die Lieferkette sowie der Umwelt- und Arbeitsschutz. Doch mehrere Hersteller gingen gegen die Ausschreibung vor und erhielten vor der Vergabekammer des Bundes Recht. Deshalb konnte die AOK von fünf ausgeschriebenen Antibiotikawirkstoffen nur für zwei Wirkstoffe den vollständigen Zuschlag erteilen. „Wir werden in den noch laufenden Verfahren in die nächste Instanz gehen. Es ist nicht akzeptabel, dass Hersteller Ausschreibungskriterien angreifen, die die Pharma-Lobby und Politiker mehrerer Parteien seit langer Zeit selbst gefordert hatten“, sagt Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK-Baden-Württemberg und Federführer der AOK-Gemeinschaft für die bundesweiten Generikaverträge. Jetzt sei der Gesetzgeber am Zug und müsse die Vergabepraxis reformieren. „Versorgungssicherheit und Umweltschutz dürfen nicht auf der Strecke bleiben, die Politik darf sich nicht von Lippenbekenntnissen steuern lassen, mit denen die Industrie ihre rein finanziellen Interessen kaschiert“, fordert Bauernfeind.

Antibiotische Wirkstoffe müssen unter strengeren Auflagen für den Umweltschutz hergestellt werden. Denn wenn sich multiresistente Keime über Industrieabwässer ausbreiten, ist die Wirksamkeit von Antibiotika gefährdet. Umweltschutzorganisationen und die Weltgesundheitsorganisation WHO weisen seit Jahren auf die Gefahr von multiresistenten Keimen hin. „Wir möchten unseren Beitrag dafür leisten, dass Infektionen auch künftig wirksam mit Antibiotika behandelt werden können“, sagt Bauernfeind. Aus diesem Grund hat die AOK mit der um die qualitativen Kriterien Versorgungssicherheit und Umweltschutz erweiterten Vergabepraxis neue Standards gesetzt. „Die verlässliche Einhaltung von wirkstoffbezogenen Grenzwerten im Produktionsabwasser globaler Anlagen muss Aufgabe jedes Unternehmens sein, das Arzneimittel vertreibt – einschließlich der Übernahme aller dabei entstehenden Zusatzaufwände. Das gilt insbesondere für versorgungsrelevante Wirkstoffe wie Antibiotika“, unterstreicht Bauernfeind.

Zu der Reform der rechtlichen Rahmenbedingungen gehört aus Sicht der AOK neben den Kriterien Versorgungssicherheit und Umweltschutz auch eine erweiterte Lagerhaltung bei Herstellern und Großhandel. „Wir fordern die Vorhaltung eines Quartalsbedarfs wichtiger Arzneimittel, um produktionsbedingten Verzögerungen, Unfällen in Produktionsstätten oder möglichen Exportstopps entgegenzuwirken. Zudem müssen für alle Wirkstoffe auf europäischer Ebene eine staatliche Mindestreserve vorgehalten und ein harmonisiertes Lieferengpass-Register angelegt werden“, so Bauernfeind. Das soll dazu beitragen, langfristig eine größere Unabhängigkeit Europas in der Arzneimittelversorgung zu erreichen.

Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit in der Arzneimittelversorgung sollten kein Alleinstellungsmerkmal der AOK bleiben. „Wir würden es begrüßen, wenn weitere Krankenkassen unserem Beispiel folgen“, so Bauernfeind. Immer wieder werde über Produktionsbedingungen in der Antibiotikaherstellung und Lieferengpässe diskutiert. Jetzt sei es Zeit zum Handeln. Ein erster Schritt in die richtige Richtung sei mit dem Referentenentwurf zum geplanten Lieferkettengesetz getan. Der politische Wille sei erkennbar, Unternehmen in Sachen Arbeits- und Umweltschutz in die Pflicht zu nehmen. Bauernfeind dazu: „Wir sind gespannt, ob dieses Gesetz ausreichen wird, tatsächlich wirksame Kontrollmechanismen über die gesamte Lieferkette hinweg zu installieren. Unsere Gestaltungsspielräume werden wir zum Ausgleich eventuell verbleibender Schwächen der geplanten Regelung auch weiterhin nutzen.“

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