Finanzen / Bilanzen

Grundsteuer belastet vor allem ärmere Haushalte in Mietwohnungen

Am Einkommen gemessen ärmere Mieter werden bis zu vier Mal stärker durch Grundsteuererhöhungen belastet als reichere. Vermieter tragen nur in den ersten zwei Jahren nach einer Erhöhung einen Teil der Steuerlast. Spätestens nach drei Jahren geben sie die höhere Grundsteuer vollständig an ihre Mieter/innen weiter. Verkaufspreise hingegen reagieren nicht auf Steueränderungen. Das belegt eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim in Kooperation mit der Universität Maastricht. Die Grundsteuer ist somit eine regressive Steuer: Sie belastet geringere Einkommen relativ gesehen stärker als Haushalte mit höherer Finanzkraft.

Wie sich die Steuerlast von Grundsteuererhöhungen auf verschiedene Einkommensgruppen verteilt, untersuchten die Wissenschaftler anhand eines ökonomischen Modells, das sie mit Daten der Vermittlungsplattform Immobilienscout24 sowie des Statistischen Bundesamtes und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fundierten. Dabei zeigte sich, dass eine Erhöhung der Grundsteuer um einen Prozentpunkt die Wohlfahrt ärmerer Haushalte stärker belastet als die von reicheren. Jene Haushalte, die die untersten zehn Prozent der Einkommen erwirtschaften, erfahren dabei einen relativen Wohlfahrtsverlust von 1,14 Prozent, während der relative Verlust bei den obersten zehn Prozent der Einkommensskala nur 0,27 Prozent beträgt. Dieser relative Wohlfahrtsverlust berechnet sich als der Konsum, auf den diese verzichten müssen, um die Kosten für eine höhere Steuer aufzubringen. „Einkommensarme Haushalte erleiden einen bis zu viermal höheren Wohlfahrtsverlust als reichere Haushalte, wenn eine Kommune ihre Grundsteuer erhöht“, sagt Sebastian Siegloch, Wissenschaftler am ZEW Mannheim und Ko-Autor der Studie.

Bedeutung der Grundsteuer

Kommunale Gewerbe- und Grundsteuern machen gemeinsam rund 25 Prozent der Einnahmen von Städten und Gemeinden aus. Der Anteil der Grundsteuer an den kommunalen Steuern beläuft sich auf etwas über 20 Prozent. Das Grundsteueraufkommen belief sich damit im Jahr 2015 auf durchschnittlich 155 Euro pro Einwohner/in. Im Vergleich zu den USA, wo sich die vergleichbare Steuer auf etwa 850 Dollar pro Kopf beläuft, spielt die Grundsteuer in Deutschland eine geringere Rolle, obwohl sie seit Jahren vielerorts stetig erhöht wird. Im Durchschnitt hat sich die örtliche Grundsteuer zwischen 1990 und 2018 von 0,9 auf 1,4 Prozent erhöht. Rund 90 Prozent aller Städte und Gemeinden haben die Hebesätze und damit die Grundsteuer im gleichen Zeitraum geändert, bei 95 Prozent der Änderungen war dies eine Erhöhung.

Die Anpassungen der Grundsteuer verglichen die ZEW-Wissenschaftler mit konjunkturellen und anderen sozioökonomischen Daten. Dabei zeigt sich, dass die Verantwortlichen in Rathäusern und Gemeinderäten ihre Entscheidung, die Grundsteuer zu erhöhen, selten von der lokalen Wirtschaft abhängig machen. „Wir sehen einen starken Zusammenhang zwischen der Haushaltslage der Kommune und der Erhöhung der Grundsteuer. Kommt die schwarze Null ins Wackeln, erhöht die Gemeinde gerne mal die Steuer auf Grundbesitz“, erklärt ZEW-Wissenschaftler Siegloch.

Implikationen für die deutsche Grundsteuerdebatte

Die deutsche Grundsteuer wird aktuell reformiert. Ab 2025 sorgt das vom Bundesfinanzministerium eingebrachte Bundesmodell dafür, dass sich die Grundsteuer stärker am tatsächlichen Wert des Grundstücks und der Immobilie orientiert. Dies ist aktuell nicht der Fall und wurde vom Bundesverfassungsgericht beanstandet. Allerdings haben die Länder die Möglichkeit, vom Bundesmodell abzuweichen und eigene Systeme zur Bewertung von Haus und Grund einzuführen. So will sich Bayern rein an der Grundstücksfläche orientieren, andere Länder wie Baden-Württemberg wollen nur auf den Wert des Bodens schauen.

„Die neuen Modelle sollten die Verteilungswirkungen der Grundsteuer berücksichtigen – die Grundsteuer in aktueller Form und auch im Flächenmodell ist schlicht ungerecht“, kommentiert Siegloch. Es spräche viel dafür, die Grundsteuer progressiver zu gestalten. Dies könnte durch großzügigere Freibeträge geschehen, so dass kleinere Mietwohnungen für ärmere Haushalte deutlich weniger belastet würden. Gleichzeitig wäre es sinnvoll, teurere Immobilien stärker zu besteuern. „Um dies umzusetzen, ist es wichtig den Wert von Grundstück und Immobilie möglichst genau zu kennen“, so Siegloch weiter. „Das spricht eindeutig für die Umsetzung des Bundesmodells.“ Ein vertretbarer Kompromiss sei das Bodenwert-Modell: Aktuelle Analysen zeigten, dass der Wert des Bodens ein guter Indikator für den Wert der darauf stehenden Immobilie sei.

Studie zum Download

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

Forschungsfelder des ZEW

Arbeitsmärkte und Personalmanagement; Digitale Ökonomie; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement; Makrtdesign; Soziale Sicherung und Verteilung; Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft.

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim
L 7
68161 Mannheim
Telefon: +49 (621) 1235-01
Telefax: +49 (621) 1235-222
http://www.zew.de

Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sebastian Siegloch
Leiter der ZEW-Forschungsbereich „Soziale Sicherung und Verteilung“
Telefon: +49 (621) 1235-140
E-Mail: sebastian.siegloch@zew.de
Dominic Egger
Pressereferent
Telefon: +49 (621) 1235-103
E-Mail: dominic.egger@zew.de
Sabine Elbert
Pressereferentin
Telefon: +49 (621) 1235-133
E-Mail: sabine.elbert@zew.de
Für die oben stehende Pressemitteilung ist allein der jeweils angegebene Herausgeber (siehe Firmenkontakt oben) verantwortlich. Dieser ist in der Regel auch Urheber des Pressetextes, sowie der angehängten Bild-, Ton-, Video-, Medien- und Informationsmaterialien. Die United News Network GmbH übernimmt keine Haftung für die Korrektheit oder Vollständigkeit der dargestellten Meldung. Auch bei Übertragungsfehlern oder anderen Störungen haftet sie nur im Fall von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Die Nutzung von hier archivierten Informationen zur Eigeninformation und redaktionellen Weiterverarbeitung ist in der Regel kostenfrei. Bitte klären Sie vor einer Weiterverwendung urheberrechtliche Fragen mit dem angegebenen Herausgeber. Eine systematische Speicherung dieser Daten sowie die Verwendung auch von Teilen dieses Datenbankwerks sind nur mit schriftlicher Genehmigung durch die United News Network GmbH gestattet.

counterpixel