Kunst & Kultur

Dieter Rams. Ein Blick zurück und voraus

Der deutsche Industriedesigner Dieter Rams hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mehr als 350 Produkte für die Unternehmen Braun und Vitsoe gestaltet, die Tag für Tag von vielen Menschen auf der ganzen Welt benutzt werden und bis heute einen großen Einfluss auf jüngere Gestalter:innen haben. Dabei interessiert sich Rams nicht nur für die eigentliche Form der Gebrauchsgegenstände, sondern dachte in vielen Vorträgen und Publikationen auch über die Bedeutung von Produkten für den Menschen und die Gesellschaft nach.

In einer Zeit, in der die Schonung von Ressourcen und der Schutz der Umwelt zu zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen geworden sind, ist Rams Arbeit mehr als aktuell. Sie begründet eine Gestaltungshaltung, die er mit dem Credo „Weniger, aber besser“ charakterisiert. Schon in den 1970er Jahren plädierte Rams nachhaltig dafür, Dinge so zu gestalten, dass sie möglichst lange Nutzungszyklen zulassen. Was heute als „Ästhetik des Gebrauchs“ diskutiert wird, praktizierte und vertrat er mit seinen Teams schon vor vielen Jahrzehnten: „Gutes Design ist umweltfreundlich. Das Design leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Umwelt. Es bezieht die Schonung der Ressourcen ebenso wie die Minimierung von physischer und visueller Verschmutzung in die Produktgestaltung ein.“

„Design ist ein Prozess und Industriedesign ist Teamwork mit vielen Beteiligten. Nur durch internationale Dialoge und Zusammenarbeiten werden wir zukünftig unsere Welt vernünftig gestalten können“, steht für Dieter Rams fest. Seine Forderung für die Zukunft lautet: „Weniger und weniger von solchen Produkten, durch deren Herstellung oder durch deren Gebrauch Ressourcen vergeudet werden und die Umwelt belastet wird. Weniger und weniger von solchen Produkten, die zwar die Kauflust reizen, dann aber kaum zu nutzen sind, bald zur Seite gelegt, weggeworfen und durch neue ersetzt werden. Weniger und weniger von solchen Produkten, die nichts als modisch sind und mit dem Ende der jeweiligen Mode obsolet werden. Weniger und weniger von solchen Produkten, die bald defekt sind, verschleißen und frühzeitig altern. Dafür aber mehr und mehr Produkte, die wirklich das sind und das leisten, was die Käufer und Benutzer von ihnen erhoffen sollten! Erleichterung, Erweiterung, Intensivierung des Lebens.“

Für Dieter Rams ist Design nicht nur die formale Gestaltung der dinglichen Umwelt, sondern es bestimmt das Leben jedes Einzelnen und das Leben miteinander. Design kann ein gesellschaftliches Miteinander befördern, aber auch beschädigen. Aus diesem Grund wird folgende Frage immer dringlicher: Wie soll unsere Welt zukünftig gestaltet werden, damit sie noch überleben kann? Anhand von ca. dreißig von Dieter Rams ausgesuchten Objekten sowie einhundert Fotografien, Reproduktionen und Texten versucht er in der Ausstellung Antworten auf diese Frage zu geben.

Dieter Rams (*20. Mai 1932 in Wiesbaden)

Nach einer Tischlerlehre absolvierte er bis 1953 ein Studium der Architektur und Innenarchitektur an der Werkkunstschule Wiesbaden. Hier wurden durch den Gründungsdirektor Hans Soeder Ideen des Lehrkonzeptes des Bauhaus aufgegriffen. Nach einer zweijährigen Tätigkeit im Frankfurter Architekturbüro von Otto Apel (heute ABB) nahm Dieter Rams im Juli 1955 eine Stellung bei Max Braun an. In dieser Zeit wandelten die jungen Erben Erwin und Artur Braun die Traditionsfirma in ein sozialverantwortliches und modernes Unternehmen um und suchten nach einer neuen Produktsprache. Das neue Produktverständnis sollte nicht beeindruckend, sondern selbstverständlich und zurückhaltend sein. Nach der Mitarbeit des Kunsthistorikers Fritz Eichler, ersten Kooperationen mit der Hochschule für Gestaltung in Ulm sowie mit den ehemaligen Bauhausschülern Wilhelm Wagenfeld und Herbert Hirche avancierte das Designteam um Dieter Rams zum innovativen Zentrum des Design-Engagements von Braun. Dies beruhte nicht zuletzt auf einer sehr engen und frühzeitigen Zusammenarbeit mit den Technikern und dem daraus resultierenden konstruktiven Designprozess.

Zu Beginn der Sechzigerjahre und unter Mitarbeit von Gerd A. Müller, Reinhold Weiss, Richard Fischer, Robert Oberheim und Dietrich Lubs entwickelte Dieter Rams als Leiter der Designabteilung eine einmalige Produktsprache, die eine hohe Gebrauchsfähigkeit mit visueller Langlebigkeit, intuitiver Bedienung und einer herausragenden Ästhetik verbindet. Von Hi-Fi-Geräten bis hin zum Elektrorasierer fand das Team eine gemeinsame Entwurfshaltung: das charakteristische „Braun-Design“. Dieses wurde weltweit beachtet und zum Vorbild anderer Unternehmen und einer jüngeren Generation von Gestalter:innen. Während seiner Tätigkeit bei Braun argumentierte Dieter Rams stets gegen einen überbordenden Massenkonsum und eine Umweltzerstörung durch zu viele Produkte. Seine Arbeit bei Braun bildete die Grundlage und die Petrischale für das sich weiter entwickelnde Designverständnis von Dieter Rams.

Schon in den 1960er Jahren gehörten Reisen nach Großbritannien, in die USA, nach Kanada, Mexiko oder Japan zum Alltagsgeschäft von Dieter Rams. Vor allem Japan mit den dortigen Unternehmenspartner:innen und der tief verwurzelten Kultur zeigte ihm neue Horizonte und Erfahrungen auf. So prägte ihn auch die Freundschaft zum damals wichtigsten Industriedesigner Japans, Kenji Ekuan (1929-2015).

Die Tätigkeit von Dieter Rams für Vitsoe begann fast zeitgleich mit derjenigen bei Braun. In diesem Unternehmen war der Gestaltungsprozess sehr viel persönlicher und direkter als bei Braun. Mit dem dänischen Unternehmer Nils Vitsoe wurden gemeinsam neue Systemmöbel entwickelt. Dabei war es Dieter Rams weiterhin wichtig, Dinge zu entwerfen, die funktional, ästhetisch, zurückhaltend sowie technisch und optisch langlebig sind. Diesen Aspekt zeigt unter anderem sein Regalsystem 606, das bis heute weltweit durch Vitsoe von Großbritannien aus vertrieben wird. Einen derart langen Produktzyklus gab es bei Möbeln sonst nur bei den Bugholz- und Stahlrohrstühlen von Thonet oder bei Entwürfen von Ray und Charles Eames.

Gestaltung und Technik
Um seine Entwürfe stets aus der Funktionalität heraus zu gestalten, war die Zusammenarbeit mit den Techniker:innen eine selbstverständliche und wichtige Voraussetzung. Häufig hatte Dieter Rams selbst an den technischen Lösungen mitgearbeitet. Zahlreiche Patente und Gebrauchsmusteranmeldungen des Unternehmens Braun auf seinen Namen zeugen davon. Die meisten Nennungen als Erfinder erhielt Dieter Rams im Zusammenhang mit der Entwicklung des Taschenfeuerzeugs F1 mactron (1971).

Dieter Rams entwickelte in den 1970er Jahren aus der eigenen Designpraxis und einer stets kritischen Reflexion des eigenen Berufsfelds heraus zehn Thesen über gutes Design: echte Innovationen, Brauchbarkeit, Ästhetik, Verständlichkeit, Ehrlichkeit, Unaufdringlichkeit, Konsequenz, Langlebigkeit und Umweltfreundlichkeit. Sein abschließendes Credo lautet dabei bis heute „Gutes Design ist so wenig Design wie möglich“ oder „Weniger, aber besser“, ein Motto für den Wandel, das der Schlüssel für ein besseres Dasein für alle und für unsere Umwelt werden könnte.

Bei seinen Produkten lassen sich auch formale Kriterien beobachten. Als latenter Architekt hat Dieter Rams oft mit dem rechten Winkel, mit Kuben- und Quaderformen gearbeitet. Ein weiteres Merkmal seiner Gestaltung bestand darin, dass seine Objekte stets von allen Seiten durchgestaltet waren – sogar auf der üblicherweise verdeckten Rückseite. Das Prinzip der Anschlussfähigkeit war ebenfalls eine Besonderheit bei Rams. Das bereits erwähnte Regalsystem 606 als Beispiel ist mit unterschiedlichen Elementen flexibel kombinier- und ausbaubar und lässt sich an die Bedürfnisse der Benutzer:innen individuell anpassen. Die Audio-Systeme von Braun bestehen seit den späten 1950er Jahren ebenfalls aus Modulen, die unterschiedlich zusammengestellt werden können. Das Besondere ist hierbei, dass die einzelnen Elemente immer eine harmonische Gesamtform ergeben.

Bei seinen Gestaltungsmerkmalen spielte Farbe eine wichtige Rolle und eben nicht nur Schwarz, Weiß und Hellgrau. Farben dienten als Anzeichenfunktionen für die Bedienbarkeit und ihr ästhetischer Wert war noch bedeutender. Durch die sparsame Verwendung von Farben erzielte Rams eine große Wirkung. Den Komplementärkontrast von Rot und Grün setzte er immer wieder ein. Manchmal wurde auch nur ein roter Punkt verwendet. Es gibt so gut wie kein Braun-Gerät von Dieter Rams, das ohne diese minimalistische Farbgebung auskäme. Dieser Aspekt findet sich auch in der Gerätetypografie wieder, die sehr leicht und zurückhaltend war und so zu einem typischen Braun-Element wurde.

Für Dieter Rams war und ist das Alltägliche das Besondere, das es zu verbessern und möglichst auch zu reduzieren gilt. Dementsprechend war eine intuitive Bedienerführung ein zentrales Element für Dieter Rams und Braun. Bedienungsanleitungen wurden fast überflüssig. „Zurück zum Puren, zum Einfachen!“, heißt es zum Abschluss seiner zehn Thesen – ein Motto zum Aufbruch.

Dieter Rams engagierte sich außerhalb seiner Entwurfstätigkeit nachhaltig für eine bessere Gestaltung. Von 1981 bis 1997 unterrichtete er Industriedesign an der HfBK Hamburg, 1988 bis 1998 war er Präsident des Rat für Formgebung und seit 1999 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. 1992 gründete er zusammen mit seiner Ehefrau die Dieter und Ingeborg Rams Stiftung, die sich mit eigenen Projekten der Designförderung widmet. Zahlreiche Ehrungen blieben daher nicht aus, unter anderem der Honorary Royal Designer der Royal Society of Arts, die Ehrendoktorwürde des Royal College of Arts in London, die World Design Medal der Industrial Designers Society of America, der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland für sein Lebenswerk und der Designer Award der Raymond Loewy Foundation. Dieter Rams ist Träger des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Schon 1959 nahm das MoMA in New York die ersten Braun-Produkte in die ständige Sammlung auf. Heute finden sich Arbeiten des Gestalters in fast allen Designmuseen der Welt. 1980 veranstaltete das Internationale Design Zentrum Berlin eine erste umfangreiche Ausstellung, weitere folgten in Mailand, London, Amsterdam, Fort Lauderdale, Lissabon, Kyoto oder Moskau und jüngst bei vitra in Weil am Rhein. 2008 eröffnete die gemeinsam vom Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main und dem Suntory Museum Osaka entwickelte große Ausstellung „Less and More. Das Designethos von Dieter Rams“. Bis 2012 war sie in sechs Museen in Asien, Europa und den USA zu sehen und zog in insgesamt 86 Ausstellungswochen mehr als 400.000 Besucher:innen an.

Zusätzlich zur Ausstellung befindet sich im 2. Obergeschoss des Museum Angewandte Kunst der Dieter Rams Stilraum, der seit 2017 mit wechselnden Exponaten die inhaltlichen und biografischen Zusammenhänge von Rams‘ Designhaltung veranschaulicht.

Kurator
Prof. Dr. Klaus Klemp in Zusammenarbeit mit Dieter Rams

Veranstalter der Ausstellung
Dieter und Ingeborg Rams Stiftung, Kronberg i. Ts
Stiftungsmanagement: Britte Siepenkothen

Im Phaidon-Verlag ist das Buch Dieter Rams: Werkverzeichnis eines Industriedesigners von Prof. Dr. Klaus Klemp mit einem Vorwort von Dieter Rams erschienen. Die 344-seitige Publikation ist im Buchhandel für 49,95 Euro erhältlich. An der Museumskasse kostet sie 45 Euro.

Direktor
Prof. Matthias Wagner K

Ort
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main

Information
T +49 69 212 31286
F +49 69 212 30703
info.angewandte-kunst@stadt-frankfurt.de
www.museumangewandtekunst.de

Öffnungszeiten
Di, 12–18 Uhr, Mi, 12–20 Uhr, Do–So, 10–18 Uhr

Eintritt
9 Euro, ermäßigt 4,50 Euro
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Studierende der Goethe-Universität Frankfurt, der Städelschule und der HfG Offenbach frei

Mehr Informationen zur Ausstellung entnehmen Sie bitte der beigefügten Pressemitteilung. Pressebilder zum Download finden Sie unter folgendem Link: https://www.museumangewandtekunst.de/de/presse/dieter-rams-ein-blick-zurueck-und-voraus/

Firmenkontakt und Herausgeber der Meldung:

Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt
Telefon: +49 (69) 212-34037
Telefax: +49 (69) 212-30703
http://www.museumangewandtekunst.de

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Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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