Verbraucher & Recht

Stuttgarter Richter befürchten neue Klagewelle im Abgasskandal

In der juristischen Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandal steht eine große verbraucherfreundliche Wende durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) bevor. Große Sorgen bereitet das jedoch Richtern am Stuttgarter Landgericht, wie Stuttgarter Zeitung und Wirtschaftswoche am 21. Juli 2022 über einen gerichtsinternen Email-Verkehr berichteten. Wenn der EuGH eine von Generalanwalt Anastasios Rantos am 2. Juni 2022 vorgezeichnete Entscheidung bestätigt, „würde in den Daimler-Verfahren allein das Thermofenster zum Erfolg der Klagen führen“. Er wolle „den Teufel nicht an die Wand malen“, schrieb ein Vorsitzender Richter, „aber eine Flutwelle neuer Klagen erscheint mir dann vorprogrammiert“. Das Oberlandesgericht Stuttgart will der Welle ganz offensichtlich vorbeugen und hat in einem Urteil verlauten lassen, dass die rechtlichen Einschätzungen von Rantos keine Gültigkeit haben. Für die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer bahnt sich ein Skandal an. „Eine solche gerichtsinterne Kommunikation in einem solch großen Emailverteiler wäre ein Justizskandal“, sagte Dr. Ralf Stoll. Die Verbraucherkanzlei gehört zu den führenden im Abgasskandal.

EuGH-Schlussanträge versprechen im Dieselabgasskandal Wende

Der Dieselabgasskandal dümpelt für die Öffentlichkeit kaum noch sichtbar vor sich hin. Der Bundesgerichtshof (BGH) und die untergeordneten Instanzen versuchen seit Monaten, einer der größten Wirtschaftsskandale der Bundesrepublik zu den Akten zu legen. Unnachgiebig fordern die obersten Gerichte von den Klägern einen Nachweis darüber zu führen, ob Autohersteller vorsätzlich und sittenwidrig bei der Abgasmanipulation gehandelt haben. Der Nachweis ist schwierig, weil nur die Hersteller selbst wissen, ob und wie die Abgasreinigung manipuliert wird und was die Entscheider in den Konzernzentralen dabei gedacht haben, das Go für den Einbau zugeben. Drückende Indizien bieten in der Regel Abgastests mit den betroffenen Fahrzeugen. Auch hat das Kraftfahrt-Bundesamt unzählige Fahrzeuge zurückgerufen, weil die Abgasreinigung mit den unterschiedlichsten Methoden illegal manipuliert wird. Die Rückrufbescheide werden den Gerichten in der Regel beinahe komplett geschwärzt vorgelegt, um das Betriebsgeheimnis der Hersteller zu wahren.

Bis 2. Juni 2022 schien der Plan der Gerichte aufzugehen, sich des Themas zu entledigen. Dann legte an diesem Tag der Generalanwalt am EuGH Anastasios Rantos seine Schlussanträge in einem Daimlerverfahren vor. Am Landgericht Ravensburg wollte es ein Richter doch genauer wissen, wie es sich mit temperaturabhängigen Abschalteinrichtungen verhält und vor allem ob das geltende EU-Recht auch den Geldbeutel der deutschen Verbraucher schützt. Denn genau das verneint bisher der BGH. Rantos machte in seinen Anträgen klar, dass es unzulässig sei, die Abgasreinigung in einem bestimmten Temperaturbereich – dem „Thermofenster“–abzuschalten. Die entsprechenden EU-Vorgaben schützten auch die Verbraucher. Die Verbraucher könnten daher von den Herstellern Schadenersatz verlangen. Dafür genüge es, wenn diese die Technik fahrlässig eingebaut hätten – und nicht vorsätzlich, wie bisher vom Bundesgerichtshof (BGH) verlangt.

Die Äußerungen des Generalanwalts hinterließen in Juristenkreisen und Gerichten mächtig Eindruck. Der Bundesgerichtshof (BGH) sagte eine für den 30. Juni 2022 terminierte Verhandlung zum VW-Dieselmotor EA288 ab und will die Entscheidung des EuGH abwarten. Schließlich soll auch VW mit Thermofenstern die Abgasreinigung auf dem Prüfstand aufhübschen. Und weil der EuGH in der Regel dem Votum des Generalanwalts folgt, heißt es jetzt für die deutschen Gerichte abwarten. Oder doch nicht?

E-Mailverkehr am LG Stuttgart: Wie lässt sich EU-Recht umgehen?

Wirtschaftswoche und Stuttgarter Zeitung deckten einen E-Mailverkehr auf, der sich mit den Auswirkungen eines möglichen verbraucherfreundlichen Urteils des EuGH beschäftigt. Gleich nach dem Votum von Rantos schrieb nach Informationen der Stuttgarter Zeitung der Vorsitzende Richter Siegmar A., zugleich Ausbildungsleiter des Landgerichts, an seine Kollegen. „Es bleibt einstweilen zu hoffen, dass sich hier nicht die nächste kleinere Flutwelle für die Zivilkammern (…) formiert“. Dahinter setze er einen Smiley. Noch besorgter klang sein Kollege Thomas M. nach dem EuGH-Urteil im Juli. Wenn der Gerichtshof Rantos folge und die EU-Vorschriften tatsächlich die Verbraucher schützten, dann „würde in den Daimler-Verfahren allein das Thermofenster zum Erfolg der Klagen führen“. Er wolle „den Teufel nicht an die Wand malen“, schrieb der Vorsitzende Richter, „aber eine Flutwelle neuer Klagen erscheint mir dann vorprogrammiert“.

Besonderen Trost hatte der Ausbildungsleiter parat: Er schickte ein frisch veröffentlichtes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart herum, in dem sich der 24. Zivilsenat „schon einmal kräftig gegen den EuGH“ positioniere. Die Kollegen setzen damit einen „Kontrapunkt“ zum Luxemburger Spruch. „Mutige Entscheidung“, lobte S. – wieder mit Smiley – und fuhr fort: „Der Kampf in den Oberinstanzen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung nimmt Fahrt auf.“

Mit dem freudig kommentierten Urteil korrigierte das OLG eine Entscheidung des Landgerichts, das einem Mercedes-Käufer fast 20.000 Euro Schadenersatz zugesprochen hatte. In der Begründung zerpflückte der Senat zugleich das Plädoyer von Rantos. Selbst wenn man dessen Einschätzung folge, dass die EU-Richtlinie auch die Verbraucher schütze – für die Verordnung, mit der diese in deutsches Recht umgesetzt werde, gelte das nicht. Beim gleichen Senat liegt übrigens die Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale gegen Mercedes-Benz. Nach der Verhandlung vertagte man sich auf Januar 2023. Begründung: Bis dahin lägen die Entscheidungen des EuGH und des BGH vor.

Dr. Stoll: Gericht will sich unliebsame Diesel-Klagen vom Hals schaffen

Für die Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer bahnt sich erneut am Landgericht Stuttgart ein Justizskandal an. Richter überlegen offen, wie sich das eigentlich bindende EU-Recht umgehen ließe. Anders lässt sich der E-Mailverkehr nicht interpretieren. „Das Recht wird in den Hintergrund gerückt, um sich offensichtlich unliebsame Klagen vom Hals zu schaffen“, sagte Dr. Ralf Stoll gegenüber der Stuttgarter Zeitung.

Eine solche gerichtsinterne Kommunikation in einem solch großen Emailverteiler wäre ein Justizskandal. Diese zeigt nämlich in aller Deutlichkeit, dass es am Landgericht sogar unter einem Ausbildungsleiter selbstverständlich zu sein scheint, über Klagen von Verbrauchern mit sachfremden Erwägungen zu entscheiden, nur um selbst möglichst wenig Arbeit zu haben. Das Recht wird in den Hintergrund gerückt, um sich offensichtlich unliebsame Klagen vom Hals zu halten. „Man kann mit der Rechtsprechung der Strafsenate des BGH über eine strafbare Rechtsbeugung nachdenken“, betonte Dr. Stoll weiter.

Und weiter: „Auch die ungewöhnlich schnelle und damit zeitlich rekordverdächtige Entscheidung des OLG Stuttgart (Verfahren aus 2022) zu dem Votum des Generalanwalts, obwohl der EuGH noch gar nicht entschieden hat, lässt den Gedanken aufkommen, dass man „vorsorgen“ möchte. Offensichtlich sollen weitere Kläger gar nicht erst auf die Idee kommen, neue Klagen einzureichen und eine Klageflut zu verursachen. Anders ist eine solch ungewöhnlich schnelle Entscheidung und Befassung mit der Ansicht des Generalanwalts kaum zu erklären.“

Neuer Schwung für Dieselgate 2.0 durch den EuGH

Der Antrag des EuGH-Generalanwalts wertet die Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Sauer nach wie vor als sensationelle Wende in der juristischen Aufarbeitung des Diesel-Abgasskandals. Gerade in den Verfahren gegen Mercedes, Fiat und VW entsteht neue Dynamik. Der BGH versucht mit seiner jüngsten Rechtsprechung, den Skandal zu den Akten zu legen. Doch Dieselgate 2.0 ist bereits bei den Gerichten angekommen. VW beispielsweise soll als Software-Update zum Skandalmotor EA189 ein Thermofenster verwenden. Auch im Nachfolge-Modell EA 288 kommt es zum Einsatz. Bei Mercedes liegen unzählige Rückrufe durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) vor. Hier geht es um unterschiedliche unzulässige Abschalteinrichtungen.

Daher rät die Kanzlei vom Abgasskandal betroffenen Verbrauchern, sich anwaltlich beraten zu lassen. Geschädigte müssen durch die Folgen und Auswirkungen des Abgasskandals mit enormen Geldeinbußen kämpfen: Ihnen drohen Fahrverbote, Stilllegungen und Wertverluste, sofern sie die Ansprüche nicht rechtzeitig vor Gericht geltend machen. Verbraucher sollten eine Individualklage erheben. Die Chancen stehen nach aktueller Rechtsprechung sehr gut. Im kostenfreien Online-Check lässt sich der richtige Weg aus dem Dieselskandal herausfinden. Wir prüfen Ihren konkreten Fall und geben Ihnen eine Ersteinschätzung, bevor wir uns auf ein gemeinsames Vorgehen gegen den Autobauer einigen.

Über die Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Bei der Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH handelt es sich um eine der führenden Kanzleien im Abgasskandal. Die Inhaber führten die Musterfeststellungsklage gegen die VW AG. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert und führte mehr als 10.000 Klagen gegen Banken und Fondsgesellschaften. Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führen in einer Spezialgesellschaft die Musterfeststellungsklage gegen die Daimler AG. Im JUVE Handbuch 2019/2020 wird die Kanzlei für ihre Kompetenz beim Management von Massenverfahren als marktprägend erwähnt.

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