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Diakonie warnt: Fachkräftemangel in der Sozialwirtschaft ist ein Risikofaktor für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen

Bei der diesjährigen Mitgliederversammlung der Diakonie in Niedersachsen hat der Niedersächsische Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Dr. Andreas Philippi teilgenommen und sich mit 250 Mitgliedern und Gästen zu innovativen Strategien zur Fachkräftegewinnung ausgetauscht.

Die Diakonie in Niedersachsen stellte zunächst ihre diakonischen Positionen zur Fachkräftegewinnung vor. Anschließend wurden bei einer Podiumsdiskussion, an der, neben dem Minister und dem Vorstandssprecher der Diakonie Niedersachsen, Hans-Joachim Lenke, Eva-Maria Heine, Head of Human Relations Continental Tires Stöcken sowie die Freiwilligendienstleistende Rebecca Nicolausen teilnahmen, weitere wichtige Impulse gesetzt.

„Wir glauben, dass nur gemeinsame Lösungen von Ministerien, der Bundesagentur für Arbeit, den Jobcentern sowie kommunalen und freien Trägern und der Wirtschaft wirklich erfolgreich sein können. Der Fachkräftemangel ist in Niedersachsen angekommen, und zwar branchenübergreifend. Als Sozialwirtschaft spüren wir schon seit Jahren die Auswirkungen von fehlendem Personal, nun spitzt sich die Situation in allen Arbeitsfeldern immer weiter zu“, stellt Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen fest.

Arbeits- und Sozialminister Dr. Andreas Philippi: „Es gibt nicht das eine Rezept, mit dem alle Probleme auf einmal gelöst werden, sondern wir brauchen ein Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen. Gute Arbeit, also eine gute Arbeitsqualität, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen sowie eine mitarbeiterorientierte Arbeitskultur sind für mich eine zentrale Voraussetzung, um Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Hier sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber gefordert. Politik kann dabei unterstützen und das werden wir als Landesregierung und ich als Arbeitsminister auch tun. Die Neujustierung unserer Fachkräftestrategie stimmen wir gerade mit den Arbeitsmarktakteurinnen und -akteuren im Lande ab. Neben den Themen Arbeitsqualität und Arbeitskultur haben wir aber auch ein zukunftsfestes Aus- und Weiterbildungssystem sowie die Zuwanderung von Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland besonders im Blick. Denn es gilt die zusätzlichen Potentiale im internationalen Wettbewerb, um die besten Köpfe und Talente zu sichern.“

Wie dramatisch die Situation in den einzelnen Bereichen der Sozialwirtschaft ist, erläutert Hans-Joachim Lenke: „75 Prozent unserer Kitas haben unbesetzte Stellen. Die Folgen sind tageweise Schließungen von Gruppen oder die Verkürzung der Rand- bzw. Kernbetreuungszeiten. In der stationären Pflege können Plätze aufgrund des Personalmangels oftmals bis zu sechs Monate nicht belegt werden. Stellenbesetzungen dauern häufig zwischen neun und zwölf Monate. In den sozialpädagogischen Berufsfeldern ist die Situation ebenfalls schwierig. Die oftmals projektorientierten und damit zeitlich begrenzten Arbeitsverhältnisse sind für viele Arbeitnehmer*innen unattraktiv, da keine langfristige berufliche Planung möglich ist. In der Folge sind Projektstellen kaum noch besetzbar.“

Der Fachkräftemangel schwächt zunehmend die soziale Infrastruktur und die Daseinsvorsorge in Niedersachsen und damit auch die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts. Wenn keine verlässliche Kinderbetreuung angeboten werden kann oder es keine professionelle Pflege für ältere oder unterstützungsbedürftige Menschen gibt, ist Berufstätigkeit für die Angehörigen kaum noch möglich.

„In der Folge werden sich Fachkräfte genau überlegen, ob sie nach Niedersachsen kommen. Wenn die Rahmenbedingungen unsicher sind, bedeutet das für Arbeitnehmer*innen viel Organisation und zusätzlichen Stress. Wer nicht auf eine Familie als Back-Up zählen kann, hat ein Problem. Das kann nicht Ziel der Landesregierung sein“, so Lenke.

„Wir sehen auch, dass die Politik das Problem nicht allein lösen kann. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich die verschiedenen Bemühungen, bei der Fachkräftegewinnung Lösungen zu finden. Dass es in nächster Zeit einen Kita-Gipfel geben wird und die Niedersächsische Kultusministerin, Julia Willie Hamburg unserem Vorschlag einer „Interdisziplinären Zukunftsallianz Kita“ positiv gegenübersteht, freut uns sehr und ist auch ein wichtiges Zeichen an die Beschäftigten, dass ihre Anliegen ernstgenommen werden. Zudem unterstützen wir ausdrücklich, die angestrebte Fortsetzung der KAP.Ni durch den neuen Sozial- und Arbeitsminister Dr. Philippi, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten“, unterstreicht Lenke.

Bei den Ausbildungsbedingungen sieht die Diakonie trotz der im Nachtragshaushalt beschlossenen Einführung der Schulgeldfreiheit in allen Ausbildungsberufen Handlungsbedarf. Eine auskömmliche, tarifgebundene Ausbildungsvergütung wäre eine weitere Möglichkeit, um die Berufsfelder langfristig attraktiv zu gestalten. Gleichzeitig müssen berufliche Qualifizierung und Neuorientierung weiter gestärkt und ausgebaut werden.

„Mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) haben wir ein gutes Instrument, Werbung für unsere Berufe zu machen. Die positiven Erfahrungen, die während eines FSJ gesammelt werden, dienen der beruflichen Orientierung junger Menschen und rund 60 Prozent der Absolvent*innen ergreifen anschließend eine Ausbildung in einem pflegerischen, sozialen oder pädagogischen Beruf. Dass auf Bundesebene Kürzungen diskutiert werden, sehen wir daher als das falsche Signal an“, betont Hans-Joachim Lenke. 

Eine ethisch verantwortliche Fachkräftegewinnung ist für die Diakonie ein weiterer wichtiger Baustein bei der Bewältigung des Fachkräftemangels. Dazu gehört auch, dass die bürokratischen Hürden zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen und Qualifikationen abgebaut und der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. Die Anerkennungsverfahren müssen beschleunigt und die Durchlässigkeit und (Teil-) Anerkennungsmöglichkeiten von fachfremden Ausbildungen ermöglicht werden.

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