Bautechnik

Rekord beim Heizungsverkauf und trotzdem kein bisschen glücklich? Warum die Branche mit dem Erfolg hadert

Der Verband der Heizungsindustrie BDH steht vor einer heiklen Aufgabe. Eigentlich muss er angesichts der verkorksten Entwicklung bei der Verabschiedung der GEG-Novelle seine Rolle als Mahner spielen – und auch mit der aktuellen Regelung, so warnt der Verband, könnte sich der Attentismus bei der Heizwende aus seiner Sicht fortsetzen. Zudem sehen sich die Heizungshersteller als Partner des SHK-Handwerks, das dem monatelangen GEG-Debakel ähnlich verunsichert und orientierungslos zusehen musste wie seine Kunden. Andererseits steht der BDH vor der seltsam angenehm-unangenehmen Aufgabe, die Absatzzahlen für das erste Halbjahr und die Prognose für das zweite Halbjahr zu vermelden – und sich damit gleichzeitig selbst als Krisengewinnler zu outen. Denn Fakt ist: In diesem Jahr steht erstmals seit den 90er Jahren wieder ein Heizungsabsatz von über einer Million Geräte greifbar im Raum – zwei Drittel davon waren schon in den ersten sechs Monaten geschafft – und das beileibe nicht nur bei den fossilen Heizungen, sondern auch mit einem Rekordwachstum bei Wärmepumpen. Wie passt das alles zusammen? Der Versuch einer Einordnung.

Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2023 667.000 Wärmeerzeuger von den Herstellern abgesetzt, das entspricht 44 Prozent Zuwachs zum Vorjahreszeitraum. Allerdings waren 65 Prozent der verkauften Heizungen Gas- oder Ölheizungen – und das ist ein Anteil, der aufhorchen lässt und die geringe Begeisterung, mit der die Heizungsindustrie ihre Margen einstreicht, teilweise erklärt: Ein großer Teil des aktuellen Heizungsabsatzes ist also von Torschlusspanik bestimmt – nach dem Motto: jetzt noch schnell die in der Regel günstigste Heizungsvariante einbauen, dann muss man sich bis Silvester 2044 keine Gedanken mehr machen, da in der Zwischenzeit (ab Anfang 2024) nur irreparabel kaputte Heizungen durch zu 65 Prozent erneuerbar betriebene Systeme ersetzt werden müssen.

„Noch so ein Sieg und wir sind verloren“ – Pyrrhussieg im Heizungskeller?

Dieser Boom der Gas- (+29 Prozent) und erst recht der Ölheizungen (+ – Holy Cow! – 102 Prozent) dürfte mit dem Inkrafttreten des novellierten GEGs weitgehend zu Ende sein – es sei denn in den Kommunen, in denen bis eine Übergangsfrist bis zur Veröffentlichung einer Wärmeplanung greift, und in denen diese Energieträger befristet noch weiter neu eingebaut werden können.

Allerdings gehen die meisten Prognosen davon aus, dass in den kommenden Jahren kaum mit billigeren fossilen Brennstoffen zu rechnen sein wird – zumal die Besteuerung sie laut Regierungsvorhaben treffen soll. So oder so wird die Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen auf dem jetzigen Niveau also nicht stehen bleiben. Damit sehen die Hersteller zwei Drittel des diesjährigen Absatzhochs in den nächsten Jahren praktisch verpuffen.

Wozu noch das praktische Ärgernis kommt, dass die Hersteller von der Nachfrage in dem vermeintlichen Auslaufsegment der fossilen Brenner sozusagen kalt erwischt worden sind und nachrichtlich teilweise Schwierigkeiten haben, die angefragten Stückzahlen auch zeitnah zu liefern.

Dennoch treibt die Heizungsindustrie die Frage um, welche Technologie in die breiten Fußstapfen der Gasheizungen treten soll. Die Pellettechnik scheint jedenfalls nicht dafür geeignet zu sein – weder von den Stückzahlen noch von der bisherigen Entwicklung her (-28 Prozent im ersten Halbjahr). Zwar hat die FDP die Pellets in den zähen Verhandlungen über die Heizungsregelung in der GEG-Novelle doch noch zu den als umweltfreundlich eingestuften Heizvarianten hinüberretten können, dennoch hielt sich die Nachfrage und das Vertrauen in die Pelletheizungen zum Leidwesen der Pelletheizungsproduzenten bislang in Grenzen. Das könnte sich aber immerhin in Zukunft ändern, sobald alte Öl- und Gasheizungen ersetzt werden müssen – und der Einbau einer Wärmepumpe mit einer aufwendigen Komplettsanierung verbunden wäre.

Doch selbst wenn es ab 2024 zu einer Pelletrenaissance kommen sollte, sind doch (neben der kleinen und etwas anachronistischen Ölheizungssparte) vor allem Wärmepumpen das Boomsegment Nummer eins im ersten Halbjahr 2023 gewesen (+105 Prozent Zuwachs). Erwartungsgemäß hat vor allem die am wenigsten aufwendige Luft-Wasser-Wärmepumpe zugelegt. Insgesamt war fast jede dritte im ersten Halbjahr 2023 abgesetzte Heizung eine Wärmepumpe – das ist erst mal alles andere als eine schwache Entwicklung. Dennoch sind auch hier die Hersteller auffallend gedämpft in ihrer Bewertung (und da die meisten großen Akteure mittlerweile mindestens einem Fuß im Wärmepumpengeschäft haben, ist das nochmals umso auffälliger).

Hersteller fürchten, dass der Nachfragestrom versiegen könnte

Nun moniert die Industrie bereits, dass ein Teil der im ersten Halbjahr 2023 abgesetzten Wärmepumpen noch von Bestellungen aus dem Vorjahr stammte und warnt, dass der Nachfrage im weiteren Lauf des Jahres und danach die Puste ausgehen könnte.

Allerdings waren die Wärmepumpen schon im letzten Jahr im Vergleich zu allen Vorjahren auf Rekordjagd – und das diesjährige Plus bei der Hybridkategorie (+126 Prozent) scheint doch darauf hinzudeuten, dass auch in tendenziell „Wärmepumpen-unfreundlichen“ Einbausituationen eine große Nachfrage besteht. Da ab nächstem Jahr in nicht wenigen Teilen Deutschlands ohne Zugang und realistische Perspektive zu Fernwärme ohnehin kaum Alternativen bestehen, ist wohl beim besten Willen kein kompletter Einbruch der Nachfrage zu erwarten – auch wenn sich der Boom aus 2022 und 2023 womöglich nicht fortsetzt.

Denn die Heizungsindustrie rechnet sicher nicht zu Unrecht damit, dass viele Haushalte ab 2024 lieber abwarten könnten, bis ihre alte Heizung tatsächlich irreparabel kaputt ist, ehe sie (gezwungenermaßen) eine neue, zu 65 Prozent erneuerbar beheizte Lösung einbauen. Zumal die Förderung, die sich bisher abzeichnet, eher gering bis geizig auszufallen droht und so weitere Anreize ausbleiben.

Auch der Einbruch bei den bisher bei der BafA eingegangenen Förderanträge für Wärmepumpen sprechen Bände (man muss allerdings anmerken, dass die Antragszahlen im letzten Jahr von einer massiven Sonderkonjunktur geprägt waren, deren Wiederholung im Anschluss zu erwarten ein wenig zu optimistisch wäre).

Kurzum: Die befürchteten Rückgänge beim künftigen Wärmepumpenabsatz wären zwar sowohl für die Heizungsbranche als auch für die Regierung mit ihrem sportlichen Ziel von 500.000 Wärmepumpen pro Jahr und nicht zuletzt für den Klimaschutz ein Ärgernis. Doch eine Abkühlung nach zwei Jahren Boom würde man unter normalen Umständen auch eher als normales Phänomen verbuchen und nicht als Katastrophe.

Doch im mittlerweile geradezu ideologisch aufgeladenen Bereich Heizungskeller ist wohl nichts mehr „normal“. Das gilt besonders seit dem überaus komplizierten Kompromiss im neuen GEG, laut dem die Bestimmungen im GEG in Kommunen zunächst ausgesetzt werden, die dazu verpflichtet sind eine Wärmeplanung bis zu dem für sie je nach Gemeindegröße geltenden Stichjahr vorzulegen. Dieser Flickenteppich an unterschiedlichen regionalen gesetzlichen Bestimmungen wird in den nächsten Jahren ebenfalls den Attentismus im Heizungskeller noch einmal massiv erhöhen – so befürchtet der Heizungsindustrieverband.

Die Beschwerde des Verbandes über die höchst intrikate praktische Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung trifft in der Tat einen wunden Punkt. Allerdings wird in der öffentlichen Diskussion häufig übersehen, dass Kommunen mit weniger als 10.000 Einwohnern von der Pflicht zur Wärmeplanung ausgenommen sind. Das heißt im Klartext: In 85 Prozent aller Kommunen in Deutschland müsste die 65 Prozent-Erneuerbare-Energien-Anteils-Pflicht sowieso schon direkt ab 1.1. 2024 greifen – und da die kommunale Wärmeplanung in mehreren Bundesländern sowieso schon bis Jahresende vorliegen muss, betrifft die auf den ersten Blick wahnwitzig scheinende unterschiedliche Geltung des Gesetzes je nach Kommune ab 2026 oder bis 2028 nur einen Teil (wenn auch einen beträchtlich bevölkerten Teil) der Kommunen in Deutschland.

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