Bauen & Wohnen

Auch der Holzbau muss sich an rasch verändernde Realitäten anpassen

Die Branchenbeteiligung am 27. „Internationalen Holzbauforum“ hat einmal mehr das weiter zunehmende Interesse am Informationsaustausch über das Bauen mit Holz unterstrichen. Mit insgesamt über 2.800 Teilnehmenden an der Gesamtveranstaltung kann FORUM HOLZBAU auch das dritte IHF in Innsbruck als grossen Erfolg verbuchen. Mit 87 Vorträgen in 22 Themenblöcken, zusätzlichen Diskussionsrunden und einer Fachausstellung, die von 186 Firmen beschickt wurde, bot der Kongress an seinen drei Veranstaltungstagen (29. November bis 1. Dezember) den Teilnehmenden erneut viel Inhalt und Kontaktmöglichkeiten. FORUM HOLZBAU verzeichnete Teilnehmende aus 40 verschiedenen Nationen, darunter auch eine 20-köpfige Delegation aus Japan. Geehrt für ihre Verdienste um die Branche wurden diesmal der Schweizer Unternehmer George Kuratle und der österreichische Wissenschaftler Dr. Alfred Teischinger.

Berichte aus der Mitte der Holzbaubranche über spannende, vorbildliche und teilweise auch spektakuläre Bauprojekte sollten natürlich in erster Linie die am IHF teilnehmenden Planer und Investoren animieren, künftig mehr mit Holz zu bauen. Die beim IHF üblicherweise stark vertretenen Holzbauunternehmer, ihre Zulieferer sowie Forscher und Ausbilder bekamen neben Fachinfos und Anregungen erneut einiges an „Hausaufgaben“ mit auf den Heimweg. Denn mit den seit Februar 2022 neu aufgetretenen wirtschaftlichen Unsicherheiten und der energiepolitisch veranlassten Transformation der Wirtschaft wandeln sich die Rahmenbedingungen für die Bauwirtschaft stärker als in vielen Jahrzehnten zuvor, und damit auch für den Holzbau. Denn er ist Teil der Bauwirtschaft, die weltweit insgesamt viel zu hohe Treibhausgasemissionen verursacht und kurzfristig an vielen Stellen umsteuern muss, wenn man die Klimaziele 2050 wenigstens annähernd erreichen will.

Dr. Julia Selberherr als Startreferentin beim IHF-Auftakt am Mittwoch lenkte den Blick auf den energetisch noch weitgehend unsanierten Gebäudebestand in Europa. Die Immobilienberaterin von Wüst Partner in Österreich lieferte einen Vier-Länder-Vergleich (D-A-CH und Frankreich), der im Hinblick auf die UN-Entwicklungsziele für Nachhaltigkeit beim Klimaschutz (SDG Punkt 13) nur wenig Fortschritte zeigte. Beim Bauen im Bestand sollte die Sanierung Vorfahrt vor der öfter problembehafteten Nachverdichtung bekommen, denn bei der Sanierung des durchschnittlichen Wohnungsbestands fielen weniger THG-Gesamtemissionen an als bei der Schaffung von Ersatzneubauten. Rasch gestiegene Kreditzinsen und bis zu 50% höhere Baukosten (v.a. in D und A) hätten viele Bauunternehmen und Projektentwickler in Schwierigkeiten gebracht und nun werde vor allen in den urbanen Zentren zu wenig gebaut. Unter den veränderten Bedingungen leide auch die Bezahlbarkeit nachhaltiger Wohnbauprojekte. Nachhaltige Immobilienprojekte, die die ESG-Kriterien bereits erfüllten, genössen aktuell noch einen Sonderstatus mit Wertaufschlägen. Das könnte aber kippen, wenn ältere Gebäude, die die ESG-Kriterien nicht erfüllten, deutliche Wertabschläge erführen.

Das Vorprogramm des IHF am 29. November nachmittags mit parallellaufenden Prologen war diesmal um einen fünften Prolog Forstpolitik erweitert, der unter Federführung des österreichischen Landwirtschaftsministeriums stattfand. Hier wurde von Verbandsvertretern aus Europa und Übersee die bisherige Arbeit der 2022 gegründeten internationalen Holzpolitik-Plattform „woodPOP“ vorgestellt. EOS-Generalsekretärin Silvia Melgari aus Brüssel wies in einem kurzen Statement insbesondere auf die Substitutionseffekte von Produkten aus Holz hin. Eine umfangreiche FAO-Studie („Forest Products in the global Bioeconomy“) besagt, dass beim Bau mittelhoher Stadtgebäude aus Holzwerkstoffen CO2-Emissionen i.H. von 5 Mio. bis 1,2 Mrd. Tonnen durch andere Baustoffe vermeiden liessen, und zwar jedes Jahr – und die damit eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung u.a. des Bausektors übernehmen könnten.

Zum Start des Kern-IHF am 30. November räumte Klimaforscher Frank Böttcher aus Hamburg die Vorstellung ab, was vielen IHF-Teilnehmenden angesichts des schleppenden Verlaufs der Klimakonferenz COP28 in Dubai längst schwante: dass das 1,5-Grad-Klimaziel bis 2050 nicht mehr erreichbar sei und es keine international abgestimmten, einheitlichen Klimaschutzmassnahmen geben werde. Fortan rücke vor allem die Anpassung an den Klimawandel und neue Klimarealitäten auf der Prioritätsliste ganz nach oben – und nicht mehr Massnahmen zur Abwehr des Klimawandels.

Und Ökobilanzfachmann Sebastian Rüter vom Thünen-Institut in Hamburg sah sich verpflichtet, ein paar Dinge in Sachen Holzbau, CO2-Senkenwirkung, Treibhausgasemissionen und bei der Branchenkommunikation Richtung Endverbraucher zurechtzurücken. Die Verarbeitung von Rohstoffen verbrauche Energie, und solange keine THG-neutrale Energie zur Verfügung stehe (was ja das Ziel der Energiewende ist), produziere man Emissionen. D.h. es gebe keine klimaneutralen Produkte und auch keine klimaneutralen Gebäude. Holz leiste beim Klimaschutz einen Beitrag, aber man sollte nicht so tun, als sei es der Heilsbringer. Es rette nicht das Klima.

An der Holzverwendung zeigten sich, so Rüter, sehr deutlich gesellschaftliche Zielkonflikte: Nichts sei so aufgeladen wie die Diskussion um Wohnraummangel und die Nutzung der Wälder. Im Hinblick auf THG-Einsparungen müsse es Ziel sein, mit möglichst wenig Ressourcen möglichst viel Funktion (z.B. Wohnraum) bereitzustellen – oder eigentlich zu sichern, denn das erreichte Niveau sei bereits hoch. Und man müsse zur Kenntnis nehmen, dass bei einer Ausweitung der Holzverwendung (= Holzbauquote) die dem Holzsektor zuzuordnenden THG-Emissionen insgesamt steigen würden. Eine Nettonull bis 2050 zu erreichen sei auch mit Holz schwierig. Trotzdem müsse Holz als heimisch verfügbare, nachwachsende Ressource einen gesellschaftlichen Beitrag zur Bereitstellung der benötigten Funktionen leisten, gerade im Baubereich, denn die Alternativen schauten ja nicht besser aus.

Informatiker Dr. Alexander Pretschner lieferte als Gastredner vor dem IHF-Festabend als branchenfremder Digitalisierungsfachmann etwas Orientierung in Sachen Künstlicher Intelligenz (KI) und den Chancen und Risiken der Software ChatGPT. Pretschner, der an der TU München forscht, räumt ihr als effizienzsteigerndes Assistenzsystem grosses Potenzial bei vielen unterschiedlichen Anwendungen ein. Die Qualität der Ergebnisse hänge aber stark von der Qualität der Eingaben ins System ab und die Ergebnisse müssten immer kritisch von einem Menschen überprüft werden. Bislang sei offen, wie stark ChatGPT die Welt verändern werde. Einzelne Berufsbilder werde KI deutlich verändern, jedoch nicht entbehrlich machen. Deep Fakes stellten aber ein echtes Problem dar.

Auch wenn der Holzbau vom Nachhaltigkeitsbonus seines Kernbaustoffs profitieren wird, ist er, wie die Konkurrenzbaustoffe, ebenfalls mit Anpassungsdruck konfrontiert. Einige „Hausaufgaben“ wurden unter anderem im Diskussionsforum der TU München und im Epilog am frühen Freitagnachmittag an die Teilnehmenden verteilt. Erfreulich viele Teilnehmende blieben trotz einer Richtung Südbayern vorrückenden Schneefront bis zum Ende des IHF und dem Vortrag von Dr. Philipp Dietsch (KIT) „an Bord“. Zu den Hausaufgaben zählen u.a. weniger Abriss, mehr Sanierung, weniger Materialeinsatz und schlankere Querschnitte, energiesparendere Prozesse, die Entwicklung einfach und materialschonend trennbarer Verbindungen, die Einplanung der Wiederverwendung von Materialien bereits beim Entwurf sowie die Führung von Materialien im Kreislauf – und alles sehr bald. In der Fülle keine leichte Aufgabe. Dazu passte der Schlusssatz von Klimaforscher Böttcher (siehe oben) am Vortag perfekt: „Zögern verbessert nicht die Lage“.

Ein Zugang zu den aktuellen Tagungsunterlagen kann auf unserer Website FORUM HOLZWISSEN erworben werden.

Das 28. „Internationale Holzbauforum“ wird dieses Jahr vom 4.-6. Dezember 2024 stattfinden.

Über FORUM HOLZBAU

FORUM HOLZBAU bzw. FORUM HOLZ ist eine gemeinsame Plattform der Aalto University School of Science and Technology Helsinki (FI), der Berner Fachhochschule (CH), der Technische Hochschule Rosenheim (DE), der Technischen Universität München (DE), der Technischen Universität Wien (AT) und der University of Northern British Columbia (CA). In Italien kooperiert man eng mit der Università di Trento. Ziel und Aufgabe des Vereins ist die Förderung des Einsatzes von Holz im Bauwesen, überschüssige Mittel werden im Sinne der Holzwirtschaft für die Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten von Studierenden eingesetzt.

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