Bildung & Karriere

Facettenreich und anspruchsvoll: Entdeckungen hinter den Kulissen des Handwerks

Frage: Was macht eigentlich ein Fahrzeuglackierer? Na, Fahrzeuge lackieren! Schon klar. Aber eben nicht nur. Da ist noch so viel mehr mit diesem Berufsbild verbunden. Es geht um Gestalten, Reparieren und Schützen. Um Schleifen, Auftragen und Designen. Um das Beurteilen von Karosserie- und Lackschäden, um Demontage- und Montagearbeiten, um das Bedienen von Werkzeugen, Maschinen und Anlagen. Wenn Ausbilder Timo Potsch die Breite des Berufsbilds erklärt, dann wird ihm meist mit staunenden Augen zugehört. An diesem Tag sind es keine „gewöhnlichen“ Schülerinnen und Schüler, die seinen Ausführungen folgen. Es sind Lehrerinnen und Lehrer, die selbst nochmal die Schulbank drücken. Einen Tag lang sind sie zur Lehrerfortbildung in der Bildungsakademie der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald. Was sie dabei lernen, soll sie bei ihrer Arbeit in den Schulen unterstützen.

„Anerkannte Fortbildung für Lehrkräfte der allgemeinbildenden Schulen im Handwerk“, nennt sich das ganz offiziell. Es ist ein Angebot des baden-württembergischen Handwerks in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL). Die Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald beteiligt sich regelmäßig an der Initiative und begrüßte diesmal acht Teilnehmende, bestehend aus Lehrkräften und Berufsberaterinnen und -berater. Sie alle lernten das Handwerk und das duale Ausbildungssystem praktisch kennen und bekamen so die Informationen an die Hand, die sie selbst bei ihrer Arbeit mit Schülerinnen und Schülern brauchen. „Viele Jugendliche suchen gerade bei ihren Lehrkräften oder in der Berufsberatung nach Unterstützung bei der Suche nach dem geeigneten Beruf“, weiß Hannah Reichenecker. Die Ausbildungs- und Nachwuchssicherungsberaterin der Handwerkskammer ist Ansprechpartnerin für alle, die Fragen zur Ausbildung im Handwerk haben – für Jugendliche, Ausbildungsbetriebe und auch Lehrerinnen und Lehrer.

Damit diese den Herausforderungen bei der Begleitung beruflicher Orientierungsmaßnahmen von jungen Menschen gewachsen sind, organisiert sie unter anderem die Lehrerfortbildung in der Mannheimer Bildungsakademie. Und die Anforderungen wachsen. Durch den Fachkräftemangel. Aber auch durch sich kontinuierlich ändernde und ganz neue Berufsbilder. Beispiel Kfz-Mechatroniker. Der Beruf verändert sich so schnell wie der Automarkt. Mit jeder Entwicklung braucht es neue Kenntnisse. Jürgen Heinz, den die Teilnehmenden der Lehrerfortbildung in der Kfz-Werkstatt der Bildungsstätte besuchen, weiß das. Wer dem Ausbilder eine Frage rund um Fahrzeugtechnik stellt, bekommt prompt Antwort. Weil es ohne Fortbildung in seinem Job gar nicht geht. Im Gespräch mit Jürgen Heinz wird den Lehrerinnen und Lehrern deutlich, wie komplex die Anforderungen im Beruf des Kfz-Mechatronikers sind. Die Zeiten, in denen in der Hauptsache „geschraubt“ wurde, sind längst vorbei. Heute steht die Elektronik im Mittelpunkt. E-Mobilität erfordert neue Ansätze. Daraus ergeben sich auch in der Ausbildung neue Schwerpunkte und Anforderungen.

Dies wird besonders dann greifbar, wenn nicht nur theoretische Kenntnisse weitergegeben werden, sondern man selbst ausprobiert. Und so schlüpften die Lehrkräfte in die Rolle von Jugendlichen in der Berufsorientierung und erkundeten, was Handwerk eigentlich bedeutet. Der Besuch in den Werkstätten war für die Teilnehmenden der Fortbildung das Highlight des Tages. Neben dem theoretischen „Unterricht“, in dem die Lehrkräfte mit dem dualen Ausbildungssystem und den Ausbildungsanforderungen vertraut gemacht wurden und sowohl die Durchlässigkeit des Bildungssystems als auch die Karrieremöglichkeiten kennenlernten, bot der praktische Part viel Raum zum Erleben und eigenständigen Nachvollziehen.

So traf die achtköpfige Gruppe dann auch auf Ausbilder Timo Potsch, der jeden selbst Hand anlegen ließ. VR-Brille auf und eintauchen in die digitale Welt der Berufsausbildung 2.0. Schon lange wird in der Bildungsakademie der Handwerkskammer in Mannheim modernste Technologie eingesetzt, um Lernen effizient und mit Spaßfaktor zu gestalten. Also was macht nochmal ein Fahrzeuglackierer? Lackiert Fahrzeuge. Genau das lässt sich lernen, ohne Material zu vergeuden. Mit virtueller Technik nämlich. So lackierten die Fortbildungsteilnehmer also Motorhauben und Kotflügel, ganz in echt mit der Sprühpistole in der Hand und doch „nur“ vorgetäuscht im digitalen Universum, das Ergebnisberichte und Lernfortschritte gleich noch mitliefert. Ein Real-Life-Erlebnis mit Computerspiel-Charakter, aber vollwertigem Lerngehalt. Zwischendrin gab es noch etwas übers Schleifen und die Verwendung von Schablonen für Schriftzüge oder Schmuckdesigns zu lernen. Denn wie gesagt: Fahrzeuglackierer machen eben mehr als Fahrzeuge lackieren.

Ergänzend zu den Berufsbildern des Kfz-Mechatronikers und des Fahrzeuglackierers erhielten die Lehrkräfte und Berufsberater auch Einblicke in einige weitere Gewerke der überbetrieblichen Ausbildung, die im Handwerk als Ergänzung der betrieblichen Ausbildung stattfindet. „Die Teilnehmenden sollten hinter die Kulissen einer Ausbildung im Handwerk schauen können“, sagt Hannah Reichenecker. „Darüber hinaus möchten wir mit der Lehrerfortbildung auch eine Plattform zur Vernetzung aller Akteure bieten.“ Eines stand nach dem Schulungstag in der Mannheimer Bildungsakademie jedenfalls fest: Auch für Lehrende gab es viel zu lernen. Und so entließ die „anerkannte Fortbildung für Lehrkräfte der allgemeinbildenden Schulen im Handwerk“ acht Teilnehmende nach einem mit Theorie und Praxis prall gefüllten Tag mit viel neuem Wissen zurück in ihren Beruf, unter anderem mit der Erkenntnis: Kfz-Mechatroniker reparieren Autos, Fahrzeuglackierer lackieren Fahrzeuge – und beide machen noch so viel mehr!

Bei Fragen zu allen Themen rund um die Ausbildung im Handwerk steht bei der Handwerkskammer Mannheim Rhein-Neckar-Odenwald das Team der Ausbildungsberatung zur Verfügung, E-Mail: ausbildungsberatung@hwk-mannheim.de.

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