Medizintechnik

eurocom zum Koalitionsvertrag

Die europäische Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel (eurocom) sieht in dem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP gute politisch sektorenübergreifende Ansätze für eine verlässliche Gesundheitsversorgung und für die Stärkung der innovativen Gesundheitswirtschaft. Allerdings kommt die Hilfsmittelversorgung dabei noch zu kurz. eurocom-Geschäftsführerin Oda Hagemeier erklärt: „Dass der Koalitionsvertrag ein krisenfestes und modernes Gesundheitssystem als zentrales Zukunftsfeld benennt und dabei auf High-Medizintechnik ‚made in Germany‘ setzt, ist ein starkes Signal an die innovative Gesundheitswirtschaft am Standort Deutschland. In der Ausgestaltung der Innovationsabsichten wird es darauf ankommen, den allgemeinen Rahmen auf die konkreten Erfordernisse der Hilfsmittelversorgung zu beziehen. Denn Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf eine bedarfsgerechte Hilfsmittelversorgung verlassen können. Ohne die mittelständisch geprägte Hilfsmittelindustrie und ihre patientenindividuellen Lösungen wäre der ambulante und stationäre Versorgungsstandard in Deutschland nicht denkbar.“

Bedarfsgerechte Hilfsmittelversorgung sichern

Die bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung aller Menschen in Deutschland – sowohl in der Stadt als auch auf dem Land – verankert der Koalitionsvertrag als politischen Auftrag. „Damit legt die Ampelkoalition eine allgemeine Basis für die Sicherstellung eines unserer zentralen Anliegen: den flächendeckenden Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Hilfsmittelversorgung für Patientinnen und Patienten,“ kommentiert Hagemeier. Inwiefern das im Vertrag aufgenommene Transparenzgebot für gesetzliche Krankenkassen, ihre Versorgungsqualität zukünftig anhand von einheitlichen Mindestkriterien offenzulegen, zu einer bedarfsgerechten Versorgung beiträgt, bleibt aus Verbandssicht abzuwarten. Ebenso das Vorhaben, den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern auszuweiten. „Eine Verdrängung der Kollektivverträge zugunsten von Selektivverträgen in der Hilfsmittelversorgung sehen wir jedenfalls kritisch. Denn oftmals fördern diese nicht den Qualitätswettbewerb zugunsten einer adäquaten Versorgung der Patientinnen und Patienten, sondern lediglich den Wettbewerb um den niedrigsten Preis“, so die eurocom-Geschäftsführerin.

Digitalisierungsstrategie kann gute und lückenlose Versorgung fördern

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzubringen ist aus Sicht der Herstellervereinigung eine wesentliche Voraussetzung, um Versorgungsprobleme zu lösen bzw. erst gar nicht entstehen zu lassen. Positiv hervorzuheben sind Instrumente der Digitalisierungsstrategie, die der Koalitionsvertrag skizziert. Hilfsmittelverordnungen sollen als regelhaft telemedizinische Leistungen ermöglicht werden. Mittels „Bürokratieabbaupaket“ beabsichtigt die Ampelkoalition, Hürden für eine Versorgung der Patientinnen und Patienten abzubauen und damit Verfahrenserleichterungen zu verstetigen, die sich in der Pandemie bewährt haben. Ein schweres Erbe der letzten Legislaturperiode soll beschleunigt werden: die Anbindung sämtlicher Akteure an die Telematikinfrastruktur sowie die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes. Berücksichtigt werden müssen dabei die hilfsmittelspezifischen Anforderungen, erklärt Hagemeier: „Die Einführung des E-Rezepts hat einen Haken: Sie ist stark am Prozess für Arzneimittel orientiert. So kann sie zu einem limitierenden Faktor der Hilfsmittelversorgung werden. Damit dieser Fall der Ungleichbehandlung nicht eintritt, fordert eurocom die konsequente digitale Transformation der Rezeptierung, welche die für die Verordnung von Hilfsmitteln spezifischen Erfordernisse berücksichtigt und die ärztliche Therapiehoheit wahrt, indem auch formal die Möglichkeit der begründeten Einzelverordnung erhalten bleibt. Deshalb brauchen wir ein eigens für Hilfsmittel konzipiertes digitales Verordnungsblatt, das bisherige Bruchstellen behebt und so dem patientengerechten Versorgungsbedarf gerecht wird.“

Forschungsdaten: Potenzial für Innovationen verantwortungsvoll nutzen

Das ungenutzte Potenzial, das in zahlreichen Forschungsdaten liegt, soll laut Koalitionsvertrag effektiver für innovative Ideen genutzt werden, der Zugang zu Forschungsdaten für öffentliche und private Forschung mit einem Forschungsdatengesetz umfassend verbessert und vereinfacht werden.

Aus Sicht der eurocom setzt die Entwicklung innovativer Hilfsmittel den verantwortungsvollen Zugriff auf Forschungs- und Gesundheitsdaten voraus. Hagemeier dazu: „Forschung im Auftrag der mittelständischen Industrieunternehmen im Gesundheitssektor ist ein wichtiger Motor für die Entwicklung innovativer Produkte, die auch Potenziale der Digitalisierung aufgreifen und diese vorantreiben. Gesundheitsdaten sind wertvoller Rohstoff für diese Forschung. Damit auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) diese Möglichkeit der Datenspende genutzt werden kann, sollte ein eigenständiges Antragsrecht herstellender Unternehmen gegenüber dem Forschungsdatenzentrum und die Ergänzung als berechtigte Institution verankert werden.“

Regionale Wirtschaftskraft des Mittelstands im internationalen Wettbewerb stärken

Die Hilfsmittelindustrie ist eine Wachstumsbranche mit fester regionaler Verankerung bei gleichzeitig starker Exportkraft und hoher internationaler Reputation. Die Attraktivität des Standorts Deutschland muss für die überwiegend mittelständischen Betriebe erhalten bleiben. „Deshalb“, so Hagemeier, „begrüßen wir ausdrücklich den wirtschaftspolitischen Ansatz des Koalitionsvertrags, auf zukunftsorientierte Rahmenbedingungen für einen wettbewerbsfähigen Mittelstand zu setzen und die Beantragung von Förderprogrammen und Investitionszuschüssen für kleine und mittlere Unternehmen zu vereinfachen.“ Dass die Ampelkoalition außerdem faire Wettbewerbsbedingungen als unabdingbare Voraussetzung für die Entfaltung der wirtschaftlichen Innovationskräfte benennt und die Stärke des europäischen Binnenmarktes sowie des europäischen Wettbewerbsrechts betont, ist ein weiteres positives Signal des Vertragswerks. „Die Achtung fairer Wettbewerbsbedingungen sollte allerdings nicht nur im Kontext des europäischen Wertekanons und mit Blick auf die unfairen Wettbewerbspraktiken autoritärer Regime beschränkt sein“, betont Hagemeier, „sondern grundsätzlich auch unfaire Praktiken internationaler Akteure zur Umgehung der seit Mai 2021 gültigen Medical Device Regulation (MDR) einbeziehen. Daher sehen wir als wesentliches politisches Handlungsfeld die schlanke und folgerichtige Anwendung der MDR. Unsere Hersteller investieren viel, um eine MDR-konforme Produktion von Medizinprodukten – und damit hohe Patientensicherheit – zu gewährleisten. Dass gleichzeitig außerhalb von Europa ansässige Billiganbieter für nicht CE-zertifizierte Produkte in den Markt drängen, indem sie eine medizinische Zweckbestimmung vorgeben, ohne die hohen regulatorischen Hürden des EU-Marktes zu erfüllen, muss verhindert werden. Für fairen Wettbewerb und mehr Patientensicherheit.“

Über eurocom e.V. – European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Devices

eurocom ist die Herstellervereinigung für Kompressionstherapie, orthopädische Hilfsmittel und digitale Gesundheitsanwendungen. Der Verband versteht sich als Gestalter und Dialogpartner auf dem Gesundheitsmarkt und setzt sich dafür ein, das Wissen um den medizinischen Nutzen, die Wirksamkeit und die Kosteneffizienz von Kompressionstherapie und orthopädischen Hilfsmitteln zu verbreiten. Zudem entwickelt eurocom Konzepte, wie sich die Hilfsmittelversorgung aktuell und in Zukunft sicherstellen lässt. Dem Verband gehören nahezu alle im deutschen Markt operierenden europäischen Unternehmen aus den Bereichen Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel an.

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