Finanzen / Bilanzen

Anstieg des Insolvenzrisikos in der Lebensmittelbranche

Die angespannte Situation der deutschen Lieferanten und Dienstleister der Lebensmittelbranche verschärft sich zusehends. Niedrige Gewinnspannen, geringe Nachfrage im Gastgewerbe (HoReCa) sowie steigende Kosten für Rohstoffe, Energie, Verpackung und Transport erhöhen den Druck auf die Branche. „Die Zahlungsverzögerungen und Insolvenzen werden nach unserer Einschätzung in diesem Jahr jeweils um zehn Prozent steigen“, so Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa beim internationalen Kreditversicherer Atradius.

Nach Angaben von Atradius betragen die Zahlungsfristen in der gesamten Branche derzeit durchschnittlich 45 Tage. Da der Druck auf die Märkte anhält und die staatlichen Unterstützungen der Corona-Pandemie allmählich auslaufen, geht Atradius davon aus, dass die Zahl der Zahlungsverzögerungen und möglicher Insolvenzen in diesem Jahr um jeweils etwa zehn Prozent steigen wird.

Besonders kleinere Unternehmen mit schwacher Finanzkraft seien am stärksten gefährdet, insbesondere, wenn sie austauschbare Produkte anbieten. Ein weiteres Problem stellt die mangelnde Bereitschaft der Banken dar, Kredite zur Liquiditätssicherung zu vergeben. „Sehr gut aufgestellt sehen wir derzeit weiterhin den Lebensmitteleinzelhandel, auch Unternehmen und Lieferanten aus dem Bereich Molkereiprodukte sowie Obst und Gemüse entwickeln sich stabil. Schwierig ist der Ausblick allerdings in den Bereichen Getränkewirtschaft, fleischverarbeitende Industrie und Lieferservice des Gastgewerbes (HoReCa), da wir davon ausgehen, dass das schwierige Geschäftsumfeld in diesen Teilsektoren auch 2022 und darüber hinaus anhalten wird“, erklärt Thomas Langen.

Schaut man sich die Branche im Ganzen an, prognostiziert Atradius für 2022 zwar ein Wachstum von etwa zwei Prozent – nach einem Anstieg von 1,2 Prozent im vorherigen Jahr und einem Rückgang von 4,2 Prozent in 2020. Treiber des Wachstums ist allerdings wie im vergangenen Jahr der Lebensmitteleinzelhandel, der von den höheren Ausgaben der Verbraucher – auch aufgrund durch den Lockdown geschlossener Restaurants und Kantinen – profitierte und somit als Gewinner aus der Corona-Krise hervorging. Verlierer sind die Unternehmen und Lieferanten aus dem Gastgewerbe (HoReCa), die mit Corona-bedingten Schließungen und der damit einhergehenden geringen Nachfrage zu kämpfen haben.

Risiken für Unternehmen in Fleischindustrie und der Lieferservices des Gastgewerbes steigen

Sinkende Gewinnspannen und steigende Kosten belasten besonders Lieferanten und Unternehmen zunehmend. Die fleischverarbeitenden Unternehmen zum Beispiel sahen im vergangenen Jahr einen Einbruch von vier Prozent, für 2022 wird nur eine Erholung um 1,4 Prozent erwartet. Die Erzeuger und Verarbeiter müssen sich mit strukturell geringen Gewinnspannen und hohen Einkaufspreisen auseinandersetzen. Zudem verursachen veränderte Verbraucherpräferenzen, wie der abnehmende Fleischkonsum und auch neue Vorgaben des Handels in Bezug auf verbessertes Tierwohl, höhere Kosten. „Die Weitergabe dieser Kosten für Rohstoffe, Energie oder auch Verpackungen und Transport oder im Falle der fleischverarbeitenden Branche für eine artgerechte Tierhaltung sind aufgrund der überwältigenden Marktmacht der großen Einzelhändler und Discounter allerdings schwierig“, sagt Thomas Langen. Auch die Aussichten für die Lieferservices des Gastgewerbes (HoReCa) sind gedämpft, da die anhaltende Corona-Pandemie eine umfassende Erholung des Gastgewerbes (HoReCa) derzeit noch behindert. „An der eher verhaltenen Aussicht für das Gastgewerbe hängt auch unmittelbar die Entwicklung des Getränkesegments“, so Langen weiter. „Wir beobachten seit Jahren, dass sich – etwa in Bezug auf den Alkoholkonsum – die Verbrauchergewohnheiten verändern. Die Lockdowns und einschränkenden Regelungen der Corona-Pandemie haben sich zusätzlich noch negativ auf die gesamte Nachfrage ausgewirkt. So ging die Getränkeproduktion 2020 bereits um 6,9 Prozent zurück. 2021 waren es dann noch einmal 1,3 Prozent weniger. Trotz eines gewissen Nachholbedarfs wird für 2022 ein weiterer Rückgang um 0,5 Prozent erwartet.

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