
Wo Berufung auf Leidenschaft trifft: Theaterarbeit im Pflegewohnheim „Am Kreuzberg“
Was haben Sie gemacht, bevor Sie zum Unionhilfswerk ins Pflegewohnheim „Am Kreuzberg“ gekommen sind?
Ich habe ganz, ganz viel Unterschiedliches gemacht. 2019 habe ich eine Ausbildung in der Schweiz zum Zimmerer angefangen und anschließend zwei Jahre lang in dem Beruf gearbeitet. Während Corona kam ich wieder zurück nach Deutschland, habe meine Ausbildung als Dachdecker abgeschlossen und dann als Dachdecker gearbeitet. In der Zeit kam mein Sohn auf die Welt. Ein Jahr später fiel ich vom Dach. Glücklicherweise nicht dramatisch – ich fiel aufs Gerüst, aber genug, um mich zu verletzen und 2 Monate aus dem Rennen zu sein. In der Zeit habe ich festgestellt, dass ich in dieser Lebenssituation gerne nochmal einen Perspektivwechsel hätte. Ich habe mich dann nach einem neuen Job umgeschaut – und bin auf das Unionhilfswerk gestoßen.
Und Sie haben ja noch eine zweite Leidenschaft, oder?
Genau! Ich bin mit dem Traum aufgewachsen, Schauspieler zu werden! Seit ich vier Jahre alt war, wollte ich auf die Bühne. Ich habe ganz viel im Theater gemacht und dann später auch fürs Fernsehen. Ich habe mich an verschiedenen Schauspielschulen beworben. Dort erhielt ich ominöse Aussagen, wie „mach weiter, aber nicht hier“ oder „du sendest uns zu wenig“ oder „da fehlt uns die Tiefe“. Also habe ich mich entschieden, etwas Handfestes zu machen. Deswegen bin ich jetzt hier. Und jetzt habe ich das große Glück, dass sich hier im Pflegewohnheim „Am Kreuzberg“ beides verbinden lässt – das Handwerkliche als Haustechniker mit dem darstellenden Spiel bei den PAPILLONS.
Wie kam es zu Ihrem Engagement beim Theaterprojekt?
Mein Chef, Sebastian Merkel, hat mich ermutigt: „Wenn Du diese Leidenschaft hast, dann lebe sie auch hier!“ Und das tue ich jetzt. Christine Vogt, die künstlerische Leiterin und Regisseurin, hat mir gezeigt, wie anders die Theaterarbeit mit den PAPILLONS ist – mehr Performance als klassisches Theater.
Und das erste Probenwochenende?
An dem Wochenende ging es viel um das Kennenlernen – bei dem aktuellen Stück spielen ja auch wieder Kinder mit. Einige von ihnen sind neu dabei – andere haben schon bei der letzten Inszenierung Die Anprobe mitgemacht. Die Kinder und Jugendlichen haben die Bewohner*innen getroffen und kennen gelernt – das war sehr schön! Die Kinder, die beim letzten Mal dabei waren, wussten schon, wie sie auf die alten Menschen zugehen können – für die neuen Jugendlichen war das neu und besonders: Eigentlich Schauspiel zu machen, dies aber mit Menschen in ihrer ganz eigenen Lebenswelt, die aufgrund ihres Alters schon mehr Erfahrungen gemacht haben und gleichzeitig manchmal nicht wissen, wo sie gerade sind oder was gerade passiert. Alle sind jetzt erst mal dabei, in die eigene Rolle zu finden. Das war auch für mich so. Ich habe viel mit den alten Menschen gesprochen, für die ich bestimmte Personen verkörpern werde. Christine Vogt hat im Vorfeld ebenfalls ganz viel mit den Bewohner*innen gesprochen und daraus Szenen entwickelt.
Begegnung zwischen Jung und Alt
Bei den Proben war es schön, zu beobachten, wie sehr die Älteren die besondere Situation und auch die Nähe zu den Kindern und Jugendlichen genossen haben. Die Jüngeren sind unglaublich respektvoll mit ihnen umgegangen und haben noch einmal eine andere Energie mitgebracht – es gab wesentlich mehr Bewegung, als ich es sonst erlebe.
Was wußten Sie vorher über die PAPILLONS?
Ich hatte natürlich viele Fotos gesehen und viel darüber gehört – auch über die Form der Biografiearbeit, die Christine Vogt anwendet. Und für die aktuelle Produktion hat sie mich inhaltlich abgeholt: Diesmal geht es auch darum, den Tod zweier Mitglieder des Ensembles aufzunehmen, weil dieser die anderen Akteur*innen sehr bewegt hat. Viele sind von Anfang an dabei.
Ohne zu viel verraten zu wollen – welche Rolle haben Sie im nächsten Stück, Totenwache?
Ich habe mehrere kleine Rollen, in denen ich verstorbene Personen aus dem Leben einzelner Akteur*innen verkörpere. Mehr will ich jetzt noch nicht verraten – denn Vieles entwickelt sich im Kontakt und in der Kommunikation miteinander.
Was löst die Beschäftigung mit dem Thema Tod, Lebensende und Trauer bei Ihnen persönlich aus?
Seitdem ich angefangen habe, hier im Pflegewohnheim zu arbeiten, hat sich mein Blick auf diese Themen definitiv verändert. Noch intensiver hat mich das Thema Lebensende berührt, als meine Großmutter unerwartet und sehr schnell an Krebs verstarb. Es war ein sehr intensiver Einstieg in dieses ganze Thema, dem ich hier quasi täglich begegne. Ich bin dankbar, dass wir das Thema jetzt auch künstlerisch aufarbeiten können.
Wir schauen in dem Stück ja auch in andere Kulturen – dort wird der Tod oft anders – mit mehr Leichtigkeit behandelt. Diese Haltung wünsche ich mir manchmal auch für uns. In unserem Stück geht es darum, das Leben zu feiern – mit den Lebenden!
Am 3. Juli ist Premiere – freuen Sie sich darauf?
Ein bisschen aufgeregt bin ich schon und einfach sehr gespannt darauf, wie es wird. Denn Theater ist ja generell immer etwas sehr Fluktuiertes und es kann ja immer irgendwas passieren, das so nicht geplant war. Und bei dieser Produktion darf man noch viel mehr gespannt sein, wie es dann tatsächlich laufen wird – da freue ich mich sehr drauf!
Wie ist es, Haustechniker zu sein – und gleichzeitig auch Schauspieler?
Es ist durchaus eine interessante und schöne Mischung und ich schaue, wie ich die beiden Rollen, in denen ich mich gerade befinde, gut in Einklang bringen kann. Als Haustechniker bin ich freundlich und zugewandt zu den Bewohner*innen und versuche, eine gewisse professionelle Distanz zu halten – beispielsweise sieze ich mich mit den Bewohner*innen. Bei den Proben nennen sich alle bei den Vornamen und duzen sich, um hier ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Im Arbeitsmodus gehe ich dann wieder zum Sie – dieser Wechsel ist auf jeden Fall speziell und für eine unserer mitwirkenden Damen ganz besonders, weil ich ihre Mutter spiele. Sie nennt mich jetzt nur noch „Mama“, wenn sie mich sieht! Humorvoll gemeint.
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