Gesundheit & Medizin

Telemedizin – Innovationsmotor für die Schlafmedizin!?

Die Digitalisierung schreitet voran. Unsere Lebensweise hat sich dadurch in vielerlei Hinsicht gewandelt. Nur ein Beispiel ist das schnelle und unkomplizierte Kommunizieren über Kontinente hinweg – worüber wir wahrscheinlich besonders in diesem Jahr enorm froh waren. „Wir sollten die digitalen Möglichkeiten auch in der Schlafmedizin nutzen und das als Chance sehen, einen Wandel aktiv mitzugestalten“, sagt Prof. Dr. Christoph Schöbel. Er ist Deutschlands einziger Professor für Schlaf- und Telemedizin, er arbeitet an der Ruhrlandklinik in Essen und ist einer der Tagungsleiter der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), die als digitaler Kongress vom 29.-31. Oktober stattfindet.

„Man sollte als Schlafmediziner auch nicht das Wachsein vergessen“

Wichtig sei es, nach Ansicht von Christoph Schöbel, zu schauen, von welchen telemedizinischen Angeboten die Patienten am meisten profitieren, für wen etwas geeignet ist und welche Patienten eingebunden werden sollten. „Denn Telemedizin kann und soll den Arzt nicht ersetzen, sondern nur unterstützen. Die derzeitig einzige Möglichkeit, die auch finanziert wird – ein weiterer wichtiger Aspekt – ist die Telesprechstunde per Video. Im Herbst 2020 sollen dann die „Apps auf Rezept“ als Leistung von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden“, erklärt Schöbel. Blickt man in die Zukunft, so wird jetzt bereits darüber geforscht, aus den gemessenen Schlafdaten viel mehr raus zu filtern als bisher. Es wird untersucht, wie sich mit Hilfe von KI und Big Data aus der Masse der Daten aus dem Schlaflabor Muster erkennen lassen, die für weiterreichende Analysen oder gar Diagnostik bei chronisch kranken Patienten genutzt werden könnten.  So wird eine Fülle von Daten derzeit kaum ausgewertet. Diese besser zu verstehen – auch dabei können digitale Auswertungen und Methoden der Medizininformatik helfen. Durch die Verwendung von bestimmten Algorithmen ist es dann auch vorstellbar, dass diese Auswertungen Risikopatienten erkennen. „Wenn wir diese Möglichkeiten jetzt außer Acht lassen, kann es sein, dass die Schlafmedizin den digitalen Wandel verschläft und an Wert verliert. Tracker oder Schlaf-Apps sind aktuell zwar noch nicht wissenschaftlich und klinisch validiert, doch das ist nur eine Frage der Zeit.  Denn auch hier steht der Markt nicht still. In ein paar Jahren könnten dann aus getrackten Daten z.B. Schlafstörungen diagnostiziert werden. Das fordert den heutzutage etablierten Diagnostikpfad deutlich heraus.  Hier müssen wir mit der Zeit gehen“, betont Prof. Schöbel.

Wie könnte ein Schlaflabor der Zukunft aussehen? Muss man dann überhaupt noch in die Klinik oder können die Daten auch zuhause erfasst werden?

„Man forscht daran, dass die Messungen im häuslichen Umfeld umfassender möglich werden, weil dort der Schlaf ganz einfach am authentischsten stattfindet. Grundsätzlich sind die Schlaf-Apps deshalb eine vielversprechende Entwicklung in die richtige Richtung, aber sie liefern eben keine Daten, wie sie valide für eine schlafmedizinische Diagnostik notwendig sind“, erklärt der Medizinphysiker und Somnologe Dr. rer. medic. Martin Glos, der an der Berliner Charité tätig ist. Die Messgeräte sollten ambulant zusätzlich zu Atmungs- und Herz-Kreislaufparametern zukünftig auch die Schlafstruktur – also die Erfassung der Phasen von Leichtschlaf, Tiefschlaf, Traumschlaf und Wachzeiten – verlässlich erfassen. Man forscht darüber hinaus an kontaktlosen Messmöglichkeiten, wie zum Beispiel mittels einer 3D-Tiefenbildkamera, über Geräuschmessungen, mittels Radartechnologie, oder durch computergestützte Auswertung von Bewegungen des Körpers, aber auch der Atmung und des Herzschlags, welche durch Sensormatten auf der Matratze erfasst werden können. Andere neue Technologien, die man erforscht, sind zwar nicht vollkommen kontaktlos, tragen aber zu einer Miniaturisierung, vereinfachter Handhabung und größerem Tragekomfort bei. Wie zum Beispiel ein Kombisensor aus Mikrofron und Druckmesser, den man unterhalb des Kehlkopfes aufklebt, um daraus Atemfluss, Atemanstrengung und Schnarchen zu berechnen oder ein Fingerclip, welcher durch die Messung von Pulskurve, Pulsfrequenz, Sauerstoffsättigung und Bewegung Rückschlüsse auf die Schlafqualität liefert. „Aktuell bereits einen kompletten Abgesang auf das Schlaflabor anzustimmen wäre jedoch die falsche Schlussfolgerung. Einerseits sind für eine Reihe von diagnostischen Verfahren die kontrollierten und personellen Bedingungen eines Schlaflabors unerlässlich und andererseits sind komplexe EEG-basierte Messungen technisch noch nicht so ausgereift, um ambulant durchgehend valide Ergebnisse zu erzielen. Das ist jedoch ein wichtiger Teil der verlässlichen Diagnostik und unabdingbar. Aber die Forschungen liefern vielversprechende Ansätze, einen Teil der Patienten zukünftig ausschließlich im häuslichen Umfeld messen zu können“, fasst Martin Glos den aktuellen Stand zusammen.

Während der digital veranstalteten DGSM-Jahrestagung vom 29.-31. Oktober 2020 werden diese Themen in einigen wissenschaftlichen Symposien näher beleuchtet, was wiederum dessen Relevanz für die Schlafmedizin unterstreicht. Das gesamte Programm der Jahrestagung können Sie hier einsehen.

Medienvertreter sind sehr herzlich zur virtuellen Teilnahme am gesamten Kongress eingeladen. Die Online-Pressekonferenz findet am 29. Oktober ab 10.15 Uhr via Zoom statt. Akkreditieren Sie sich dazu bitte über die Homepage oder den Pressekontakt. Selbstverständlich können Sie auch individuelle Gesprächstermine mit Referenten, der Tagungsleitung oder dem DGSM-Vorstand vereinbaren. Auch dazu bitten wir, sich an den Pressekontakt zu wenden.

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