Finanzen / Bilanzen

Ehrbarer Staat? Generationenbilanz Update 2020 – Schuldenexplosion im Schatten der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie und der resultierende weltweite Wirtschaftseinbruch führen zu einer deutlichen Verschlechterung der Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen in Deutschland. Aktuell liegt die Nachhaltigkeitslücke aus expliziten und impliziten Staatsschulden in einem mittleren Szenario bei 345,0 Prozent des BIP. Im Vergleich zum Vorjahreswert von 219,9 Prozent des BIP ist das ein Anstieg um 125,1 Prozentpunkte. Zu diesen Ergebnissen kommen die jüngsten Berechnungen der Stiftung Marktwirtschaft und des Forschungszentrums Generationenverträge der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zur deutschen Generationenbilanz. In absoluten Zahlen entspricht die Nachhaltigkeitslücke einem Gesamtschuldenstand der öffentlichen Hand von 11,9 Billionen Euro. Der deutlich größere Teil – rund vier Fünftel – entfällt dabei auf die implizite, d.h. heute noch nicht direkt sichtbare, Staatsschuld. Diese beträgt 285,2 Prozent des BIP (9,8 Billionen Euro). Dahinter verbergen sich alle durch das heutige Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckten staatlichen Leistungsversprechen für die Zukunft, nicht zuletzt diejenigen der Sozialversicherungen.

„Die Corona-Pandemie ist ein echter Schock für die Staatsfinanzen“, erläutert Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Vorstandsmitglied der Stiftung Marktwirtschaft bei der Präsentation der Ergebnisse. Ohne den Wirtschaftseinbruch sowie die Nothilfe- und Konjunkturprogramme wäre die Nachhaltigkeitslücke nur geringfügig auf 235,7 Prozent des BIP gestiegen (kontrafaktisches Szenario). „Nicht alles, was die Politik in den letzten Wochen und Monaten kostspielig auf den Weg gebracht hat, ist auch wirklich sinnvoll“, kritisiert Raffelhüschen und verweist exemplarisch auf die unsystematische Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, die Aussetzung der Bedürftigkeitsprüfung in der Grundsicherung oder fragwürdige unternehmerische Staatsbeteiligungen.

Aufgrund der außergewöhnlichen Situation sind Prognosen über den weiteren Verlauf der Pandemie, die zukünftigen Wachstumsperspektiven der Wirtschaft und damit auch die mittel- und langfristige Entwicklung der staatlichen Einnahmen und Ausgaben mit besonders großer Unsicherheit behaftet. In einem Negativszenario mit einem starken Rückgang des BIP von 9,3 Prozent in diesem Jahr und nur allmählicher Erholung in den Folgejahren könnten sich die langfristigen fiskalischen Lasten der Corona-Pandemie mit 278,3 Prozentpunkten des BIP mehr als verdoppeln und die Nachhaltigkeitslücke auf 514,0 Prozent des BIP treiben. Würde sich demgegenüber ein positives Szenario mit einem ausgeprägten Erholungsprozess in den kommenden Monaten einstellen, wären die langfristigen fiskalischen Auswirkungen mit 49,0 Prozentpunkten des BIP zwar immer noch spürbar, aber sehr viel besser beherrschbar: Die durch die Nachhaltigkeitslücke gemessene staatliche Gesamtverschuldung würde dann „nur“ auf 284,7 Prozent des BIP steigen.

 „Die fiskalischen Kosten der Pandemie überwälzt die Politik größtenteils auf die zukünftigen Generationen“, kritisiert Raffelhüschen und erinnert an die fatale Entscheidung der Großen Koalition aus dem Jahr 2018, den Nachholfaktor in der gesetzlichen Rentenversicherung bis mindestens 2025 auszusetzen. Anstatt aufgrund der nominalen Rentengarantie unterbliebene Rentenkürzungen in späteren Jahren nachzuholen und mit zukünftigen Rentenerhöhungen zu verrechnen, komme es nun zu einer dauerhaften Entkoppelung von Renten und Löhnen. „Die ökonomischen Belastungen der Beschäftigten infolge von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit und stagnierenden Löhnen in diesem Jahr werden die Rentner nie zu spüren bekommen“, kritisiert der Ökonom und warnt vor einer weiteren Entsolidarisierung zwischen Alt und Jung durch die Corona-Pandemie. „Will man die Belastung zukünftiger Generationen durch die Corona-Krise abmildern, muss man möglichst bald mit der Tilgung der nun auflaufenden expliziten Schulden beginnen, vor allem aber das Anwachsen der versteckten Staatsschulden dämpfen“, mahnt Raffelhüschen und prognostiziert: „Das wird eine – ökonomisch und politisch – schwer zu stemmende Aufgabe, die Politiker zukünftig dazu zwingt, den Sozialstaat generationengerechter umzugestalten“.

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